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Amtsleiter stoppt Bürokraten-Wahnsinn

Plötzlich geht's ganz einfach: Neuer Name bewahrt private Kinderbetreuung vor dem Aus

Von Christian Althoff
Bad Salzuflen (WB). Deutschland, deine Bürokraten. . .  Eine private Kinderbetreuungseinrichtung in Bad Salzuflen, der wegen behördlicher Hemmnisse zum Monatsende das Aus drohte, ist gerettet: »Wir dürfen weitermachen, wenn wird uns von Kinderbetreuung in Spielgruppe umbenennen«, sagt Erzieherin Özlem Dogu (29).
Sabrina freut sich: Sie kommt morgens gerne für ein paar Stunden ins »Zwergenland«.

Die Erzieherin aus Hiddenhausen (Kreis Herford) hatte sich 2004 zusammen mit Tagesmutter Gabi Staupenpfuhl (30) aus Bad Salzuflen selbständig gemacht und in der Kurstadt das »Zwergenland« eröffnet. Für höchstes drei Euro pro Stunde konnten Eltern ihre Kinder zwischen 8 und 18 Uhr betreuen lassen. Manche nutzten das Angebot nur während eines Arztbesuches, andere ließen die Kleinen im Alter zwischen zwei und acht Jahren bis mittags beaufsichtigen, um arbeiten zu können.
Als immer mehr Mütter auch Kinder unter zwei Jahren betreuen lassen wollten, verschärfte das Landesjugendamt in Münster die Betriebserlaubnis derart, dass ein wirtschaftlicher Betrieb nach Angaben der beiden Frauen nicht mehr möglich war: »Das Amt wollte meine Kollegin nicht als Mitarbeiterin anerkennen und forderte, dass wir eine weitere Sozialpädagogin einstellen. Außerdem sollte die Zahl der betreuten Kinder reduziert werden«, sagt Özlem Dogu. Für das »Zwergenland« hätten die Auflagen das Aus bedeutet. »Und wir Eltern hätten nicht gewusst, wo wir unsere Kinder unterbringen sollen«, sagt Realschullehrerin Kerstin Wehrspann (30), die ihre 18 Monate alte Tochter Hannah im »Zwergenland« beaufsichtigen lässt.
Die Mütter gingen deshalb an die Öffentlichkeit, protestierten beim Landesjugendamt in Münster und trafen sich mit Bürgermeister Wolfgang Honsdorf. Dessen Jugendamtsleiter Eduard Welslau fand jetzt eine unerwartet einfache Lösung: »Die gesetzlichen Anforderungen an eine Kinderbetreuungseinrichtung sind höher als an eine Spielgruppe. Deshalb brauchte sich das Zwergenland nur umzubenennen.« Das haben Özlem Dogu und Gabi Staupenpfuhl inzwischen getan, und die neue Genehmigung aus Münster ist auf dem Weg. Künftig dürfen die beiden Frauen 18 Kinder in zwei Gruppen beaufsichtigen. »Wir haben vor Staunen den Mund nicht mehr zubekommen, dass alles auf einmal so einfach war«, sagt Gabi Staupenpfuhl. »Dabei haben wir noch vor vier Wochen weinend im Zwergenland gesessen, weil wir nicht weiter wussten!« Noch gar nicht glauben können die Frauen, dass sie als Spielgruppe sogar Zuschüsse für den Kauf von Spielgeräten beantragen dürfen: »Wir sind sprachlos!« Bad Salzuflens Jugendamtsleiter Eduard Welslau sei »ein Retter. Ein Mann der Tat, unbürokratisch und hilfsbereit« lobten die beiden Frauen gestern. Welslau sagte, die Stadt sei sehr am Fortbestand der Einrichtung interessiert: »Viele Mütter sind auf eine derart flexible Kinderbeaufsichtigung angewiesen.«
Jetzt plant das »Zwergenland« ein Fest, um den Erfolg zu feiern.

Artikel vom 27.09.2005