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Zu harmlos - Arminia trifft nicht mehr

281 Minuten ohne Torerfolg - von Heesen untersucht seine Spieler auf ihre mentale Stärke

Von Dirk Schuster
Bielefeld (WB). Horst Köppel wird sich gewundert haben. Seit Wochen sieht sich Gladbachs Coach seines immerhin mäßigen Erfolgs zum Trotz massiver Kritik durch Manager Pander ausgesetzt. Und bei Arminia, Gladbach gerade 0:2 unterlegen, hakt kein Mensch nach, ob Thomas von Heesen nach einem Punkt und keinem Tor aus den letzten drei Partien noch der richtige Trainer ist.
»Ich bin verantwortlich«, weiß Thomas von Heesen.

Und das ist auch gut so. Während Finanzchef Roland Kentsch sagte: »Darüber haben wir uns noch gar keine Gedanken gemacht«, klangen dagegen die Worte von Präsident Hans-Hermann Schwick allerdings schon etwas bedrohlicher: »Unser Trainer hat viel Arbeit vor sich.«
Dabei weiß auch der Präses: Das Verletzungspech erschwert von Heesens Arbeit immens. Dabei kann der Trainer die alte Leier von den vielen angeschlagenen Stamm- und Führungskräften ja selbst nicht mehr hören. Im Gegenteil. Wenn's eben geht, vermeidet von Heesen ganz bewusst, die schwachen Vorstellungen der vergangenen Wochen mit den Namen Petr Gabriel, Fatmir Vata und Rüdiger Kauf in Zusammenhang zu bringen. Dabei ist abgesehen vom Angriffsproblem das Fehlen der »alten Haudegen« das Hauptproblem. Dass alle drei schwer verletzt sind, dafür kann von Heesen nichts, muss aber dafür sorgen, dass ihre Stellvertreter so leidenschaftlich zu Werke gehen, dass ihnen fehlendes Herzblut nicht unterstellt werden kann.
Nie zuvor in dieser Saison wurde ein Mangel an Spielern mit »Hintern in der Hose« (von Heesen) so deutlich, wie Samstag in der Partie gegen Mönchengladbach. Allein Mathias Hain erfüllt dieses Anforderungsprofil.
Von Heesen am Rasenrand, Hain als letzter Mann - ihrer beider Arme reichen nicht weit genug aufs Spielfeld, um entscheidend eingreifen zu können, reichen nicht bis ins zentrale Mittelfeld oder die Außenbahnen und erst recht nicht in den Angriff. Nicht dahin also, wo die Musik gemacht wird, wo Tore produziert werden. Seit 281 Minuten, seit Roberto Pintos 1:1 in Stuttgart, ist Arminia ohne Erfolgserlebnis. Eine kleine Fußballewigkeit, an der das eigentlich Erschreckende ist, dass die Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss, nämlich das Herausspielen von Chancen, kaum noch gegeben ist. 23 Tormöglichkeiten in sieben Spielen - seltener kam kein anderes Bundesligateam gefährlich vors gegnerische Gehäuse.
Das ist der neuralgische Punkt, an dieser Stelle muss sich Thomas von Heesen fragen lassen, ob es klug war, im Sommer die immer wiederkehrende Frage nach der Dringlichkeit der Verpflichtung eines Stürmers beharrlich mit »Nein« beantwortet zu haben. Und ob es richtig war, die sommerlichen Rückholversuche Artur Wichniareks deshalb als sinnlos zu bezeichnen, weil dieser nicht systemkompatibel sei. Wichniarek kommt bei Hertha BSC Berlin nach hoffnungsvollem Saisonstart genau so wenig in die Pötte wie vergangene Saison. Es dürfte nicht verwundern, wenn sich Bielefeld wie schon im letzten Winter auch in diesem wieder um Wichniarek bemüht. Besser spät als nie. Denn dass im Angriff Bedarf besteht, förderte nicht erst das Spiel gegen Gladbach zu Tage. Da flogen speziell im zweiten Abschnitt die Flanken durch den Strafraum, einzig ein Abnehmer war weit und breit nicht zu finden.
Gestern gönnte Thomas von Heesen seinen Spielern, seinem Trainer- und Betreuerstab und sich selbst kurzfristig einen freien Tag. Zur Besinnung sozusagen, denn der war nötig. Der 43-Jährige wird sich Gedanken gemacht haben darüber, wem er es zutraut, nächsten Samstag im Spiel bei Bayer Leverkusen den DSC Arminia würdevoll zu vertreten. Denn dass personelle Änderungen vorgenommen werden, steht außer Frage. »Ich kann persönlich nicht begreifen, was auf einigen Positionen gespielt wurde, bin aber verantwortlich dafür. Ich werde Spieler aussuchen müssen, die mental stark genug sind, um diese Phase durchzustehen«, sagte von Heesen und ergänzte: »Es fällt mir sicherlich nicht schwer fallen, eine klare Linie zu ziehen.«

Artikel vom 27.09.2005