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Alonso feiert rauschende WM-Fete

Michael Schumacher über seinen Nachfolger: »Er ist ein würdiger Weltmeister«

Sao Paulo (dpa). Nachdem Fernando Alonso sein Meisterstück perfekt gemacht hatte, haben er und die Renault-Truppe eine rauschende WM-Party gefeiert.

Im Nobel-Club »Lotus« des World Trade Centers in Sao Paulo begossen die Blauen den historischen Triumph bis in den frühen Morgen. »Ich werde wohl erst in den nächsten Tagen realisieren, was ich da erreicht habe«, sagte Alonso, der nach dem Erfolg von Emotionen überwältigt wurde.
Der mit 24 Jahren und 58 Tagen jüngste Weltmeister der Formel-1- Geschichte hatte kurzfristig seinen für den Rennabend geplanten Rückflug auf gestern Nachmittag verschoben, um ausgiebig feiern zu können. Einen leichten Schwips hatte der sonst so nüchterne Spanier schon nach dem Champagnergenuss auf dem Siegespodest.
Michael Schumacher gehörte zu den ersten Gratulanten von Alonso, der zuvor mit seinem dritten Platz in Sao Paulo eine taktisch brillante Maßarbeit abgeliefert hatte. Herzlich umarmte der alte den neuen Weltmeister und signalisierte ihm mit gestrecktem Daumen: »Du bist jetzt die Nummer 1.« Der entthronte Rekordchampion aus Kerpen lobte seinen Nachfolger: »Fernando ist ein würdiger Weltmeister. Er hat einen Superjob gemacht.«
Trotz aller Wertschätzung für seinen Erben machte Schumacher klar, dass er das Ende seiner ein halbes Jahrzehnt währenden Regentschaft nicht als generelle Wachablösung verstanden wissen möchte, sondern die alte Hierarchie wieder herstellen will. »Ich empfinde keine Wehmut, sondern eher Freude aufs nächste Jahr: Da wollen wir wieder um die WM mitkämpfen.«
Auch Alonso glaubt nicht, »dass nun eine neue Ära anbricht«. In jedem Jahr stelle sich die Konkurrenzsituation anders dar, und heute wisse keiner, wie das Kräfteverhältnis 2006 aussehe. »Niemand hat ja auch gedacht, dass Ferrari in dieser Saison im Kampf um die Weltmeisterschaft keine Rolle spielt«, sagte er.
Obwohl die mangelnde Konkurrenzfähigkeit der Scuderia Alonsos Triumph über Schumacher etwas schmälert, bezeichnete er diesen als »das Tüpfelchen auf dem i. Das ist so wie bei der Tour de France mit Lance Armstrong. Der Titel zählt mehr, so lange Schumacher dabei ist.«
Flavio Briatore wollte ebenfalls nicht von einer neuen Ära sprechen. Der Renault-Teamchef, zuvor mit Schumacher und Benetton 1994 und 1995 zwei Mal Weltmeister, sprach seinem Schützling aber das Verdienst zu, die Formel 1 erneuert zu haben: »Fernando ist der Star der Zukunft.«
Der wegen seiner sieben technischen Defekte trotz bravouröser Gegenwehr und trotz des besten Autos im Titelrennen letztendlich chancenlose Kimi Räikkönen sieht das naturgemäß anders. »Gratulation an Fernando«, sagte der Finne. »Aber er soll sich gut auf einen harten Kampf für die restliche Saison und nächstes Jahr vorbereiten. Ich bin natürlich enttäuscht, dass mein Kampf für die Fahrer-WM vorbei ist.« Brasilien-Sieger Juan Pablo Montoya reklamierte als Entschädigung wenigstens den Konstrukteurstitel für McLaren-Mercedes: »Wir sollten stark genug sein, die letzten beiden Rennen zu gewinnen.«
Den selben Anspruch vertrat Alonso. In Sao Paulo habe er nichts riskieren wollen, erklärte er: »In Suzuka und Schanghai wird das anders. Jetzt kann ich wieder aggressiver fahren. Schließlich wollen wir auch den Konstrukteurstitel holen.«
König Juan Carlos II., ein großer Alonso-Fan, Kronprinz Felipe und Ministerpräsident José Luis Rodriguez Zapatero beglückwünschten das neue spanische Sportidol per Telefon zum Triumph. In Spanien, vor Alonsos kometenhafter Karriere in Sachen Formel 1 eher ein Entwicklungsland, wird es allerdings vorerst keine »Fiesta« mit dem neuen Motorsport-Matadoren geben. »Ich reise wahrscheinlich erst nach dem Saisonfinale in China nach Asturien«, vertröstete er seine Landsleute. Alonso stört das Hauen und Stechen lokaler Politgrößen, ihn zu vereinnahmen: »Deshalb haben wir entschieden, noch nicht sofort nach Spanien zu kommen.«

Artikel vom 27.09.2005