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Porsche nach VW-Coup ausgebremst

Aktien des Sportwagenherstellers auf Talfahrt - Geteilte Meinung über strategische Vorteile

Stuttgart/Wolfsburg (dpa/WB/wosch). Der geplante Einstieg bei VW hat die Aktien des erfolgsverwöhnten Sportwagenherstellers Porsche gestern an der Börse auf Talfahrt geschickt. Die Papiere sanken in der Spitze um mehr als elf Prozent. Im Laufe des Tages verlor die Marke eine Milliarde Euro an Marktwert.
Christian Wulff (CDU): Porsche-Einstieg stützt Reformkurs.

Ein Sprecher von Porsche zeigte sich »von diesem Einbruch nicht überrascht.« Führende Banken zweifelten unterdessen an den von Porsche (auf Platz 24 unter den Autobauer dieser Welt) genannten strategischen Vorzügen einer Partnerschaft mit Europas größtem Autokonzern. Umgekehrt lobten sie aber die Perspektive für VW. Das Unternehmen liegt hinter General Motors, Toyota und Ford auf Platz vier der Automobilhersteller, macht aber trotz eines vielfach höheren Umsatzes und einer weitaus größeren Modellpalette etwa soviel Gewinn wie Porsche. Die VW-Aktie verlor gestern leicht.
Porsche hatte - wie berichtet - am Sonntag angekündigt, 20 Prozent an VW übernehmen zu wollen. Damit will der Sportwagenhersteller den Wolfsburger Konzern vor einer feindlichen Übernahme schützen und so »die für beide Seiten gewinnbringende Partnerschaft« mit VW langfristig sichern. Noch schützt das VW-Gesetz den Wolfsburger Autobauer vor einer feindlichen Übernahme. Die EU-Kommission klagt gegen das Gesetz.
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sagte, der Einstieg von Porsche stütze den »notwendigen Reformkurs» bei VW. »Letztlich bedeutet der Einstieg, dass wir mit einem großen befreundeten Aktionär über strategische Ziele reden können.« Volkswagen fährt derzeit einen harten Sparkurs.
Porsche sei das Autounternehmen in Deutschland, das am stärksten auf Produktion im Land Wert lege und auch den Betriebsrat stark in den unternehmerischen Erfolg mit einbeziehe, sagte Wulff, der auch Aufsichtsrat bei VW ist. Niedersachsen ist bisher mit 18,2 Prozent der Stammaktien größter Anteilseigner von Volkswagen. Niedersachsen stehe weiterhin in vollem Umfang dieser Beteiligung, versicherte Wulff. Eine Kapitalerhöhung sei nicht beabsichtigt.
Porsche hält derzeit noch weniger als fünf Prozent an VW, erklärte ein Unternehmensprecher im Gespräch mit dieser Zeitung. 20 Prozent der stimmberechtigten VW-Stammaktien würden nach aktuellen Berechnungen um die drei Milliarden Euro kosten. Wie Porsche auf insgesamt 20 Prozent der VW-Aktien kommen will, wollte der Sprecher nicht sagen. »Wir stehen nicht unter Zugzwang und lassen uns zeit.« Analysten halten es für denkbar, dass Porsche über Partner indirekt doch bereits VW-Aktien aus dem Streubesitz erworben hat.
Aktionärsschützer bewerteten den geplanten Einstieg von Porsche bei VW positiv. »Die Anleger profitieren zum einen durch die günstige Kursentwicklung. Zum anderen ist nun ein Großaktionär im Boot, der dem angestoßenen Prozess der Veränderung bei VW mehr Dynamik verleiht«, sagte der Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertbesitz. Porsche werde starken Druck ausüben, damit VW wieder gute Gewinne erwirtschafte. Für Porsche sei der Einstieg auf Grund der bisherigen Zusammenarbeit strategisch richtig.
Analysten dagegen kritisierten vor allem, dass Porsche mit drei Milliarden Euro für den Einstieg fast alle Rücklagen auf einen Schlag aufbrauche. Dessen ungeachtet erklärte Porsche-Sprecher Christian Dau gegenüber dieser Zeitung, alle geplanten Projekte des Sportwagenherstellers würden wie angekündigt umgesetzt. Dazu zähle auch das viersitzige Sportcoupé Panamera, das 2009 kommen soll und 1000 neue Arbeitsplätze in Deutschland bedeutet. Die Zuversicht dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass im laufenden Geschäftsjahr wieder eine Milliarde Euro Gewinn vor Steuern bei Porsche erwartet werden.
Bei VW stand gestern eine weitere wegweisende Entscheidung bevor. Management und Arbeitnehmerseite verhandelten abschließend über den Bau des neuen Geländewagens in Wolfsburg.
Die VW-Spitze hat damit gedroht, den Wagen in Portugal zu bauen, wenn Betriebsrat und Gewerkschaft nicht zu Zugeständnissen bei den Personalkosten bereit sind. Wie aus VW-Kreisen zu hören war, sollen die Arbeitnehmervertreter bereits vor dem Wochenende den von VW-Markenchef geforderten Einsparungen in den Produktionskosten von 850 Euro pro Auto zugestimmt haben.
Der Geländewagen mit vielen Golf-Komponenten, der größenmäßig aber dem Passat nahe kommt, soll angeblich »Marrakesch« heißen. Ein Sprecher dazu: »Das ist so richtig oder falsch wie Beduin oder sonst ein Name.«

Artikel vom 27.09.2005