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Redselig und mitreißend: Sänger Michael Robert RheinFoto: Gast

Ein spaßiger Abend mit den »Fröschen« des Punks

»In Extremo« begeisterten mit mittelalterlichem Rock

Bielefeld (Rga). Raue Seemannslieder und wilder Punk - Passt das denn überhaupt zusammen? Beides ist wild, ungestüm, einfach und hinterlässt bei der Mannschaft über die Jahre hinweg tiefe Spuren in Seele und Gebein. Dennoch ist es eine eher unübliche Melange, mit der »In Extremo« an diesem Abend im Lokschuppen zu punkten versuchen.

Zweifelsohne ist die Verbindung aus mittelalterlichen Instrumenten und konventionellem Rock-Equipment mehr als nur gewöhnungsbedürftig; dennoch hat sie ihre Berechtigung. Immerhin singen »In Extremo« nicht von »Sex, Drugs & Rock «n« Roll«, sondern bedienen sich mit Vorliebe mittelalterlicher Thematik und Lyrik aus der großen Zeit der Seemänner. Es ist der Versuch, die Faszination und Romantik vergangener Zeiten über alte Texte, etwa aus dem achten Jahrhundert, in die Gegenwart zu transportieren. Die ungestümen Gitarren symbolisieren dabei ein Stück der rauen Sitten und Lebensverhältnisse anno dazumal.
Den Beweis, ob sich diese sicherlich interessante Idee auf die Bühne bringen lässt, wollten »In Extremo« nun auch im Bielefelder Ringlokschuppen antreten. Mit opulent ausstaffierter Bühne, die eine wahrlich eindrucksvolle Schiffsattrappe zierte, und einem hitzigen Pyro-Feuerwerk setzten die »Spielmänner« voll auf Entertainment. Ein wild über die Bühne fegender Sänger sang sich, passend zum harten Gitarren-Sound, förmlich die Seele aus dem Leibe. Neben deutschem Liedgut wussten auch die auf Latein vorgetragenen Stücke ihre Wirkung beim Publikum zu entfalten. Was an diesem Abend geboten wurde, war jedoch nicht etwa Nachhilfe in Sachen Sprache und Kultur, sondern ganz seichte Kirmes-Unterhaltung.
Bezeichnender Weise war »Küss mich«, der einzige, echte Hit von »In Extremo«, nicht der Höhepunkt der Abend. Die düster gewandte und zahlreich erschienene Fan-Gemeinde verlangte nach kreischenden Gitarren und wild pfeifenden Dudelsäcken, die sie an anderen Stellen des Abends in stärkerem Ausmaße bekamen. Und auch der wasserstoff-blonde Frontman, der neben dem band-internen Namen »Das letzte Einhorn« durchaus auch mit Michael Robert Rhein angesprochen werden darf, fühlte sich stimmlich deutlich bei den Stücken härterer Gangart zuhause.
Als ungemein redseliger Gehörnter präsentierte sich Reibeisen-Stimme Rhein an diesem Abend, und bestellte aus dieser Laune heraus mal eben ein volles Tablett Bier auf die Bühne. Als dieses dann prompt serviert wurde, war die Menge wahrlich ergriffen von dem pachtvollen Anblick dieses bewegenden Moments. Punk-Dasein auf allerhöchster Stufe!
Wer den Film »Die Schatzinsel« des Muppets-Erfinders Jim Henson kennt, der fühlte sich vielleicht in die Kulisse dieses drolligen Spektakels mit Kermit und Co. hinein gebeamt. In gewisser Weise war der Abend tatsächlich ein kleines Kasperle-Theater mit Plastik-Schiff und etwas Seemannsgarn. Eine spaßige Show mit »In Extremo« - den »Fröschen« des Punks - war das.

Artikel vom 27.09.2005