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Klage und Aufforderung zum Tanz

Barockmusik zum Saisonauftakt

Von Uta Jostwerner
Kirchdornberg (WB). Ja ist denn schon Ostern? Gründonnerstags- und Karfreitags-Lamentionen standen neben Bittgesängen sowie geistlichen und weltlichen Konzerten beim Saisonauftakt in der Peterskirche Kirchendornberg auf dem Programmzettel.

Beim durchweg mit Werken des Barock gespickten Reigen empfahlen sich Beatrix Hellhammer, Britta Gemmeker (Barockviolinen), Andreas Vetter (Barockcello), Sabine Erdmann (Orgel) und Martin Backhaus (Bass) als ausgewiesene Kenner Alter Musik und historischer Aufführungspraxis. Das Berliner Ensemble mit der leicht irreführenden Bezeichnung »Concerto grosso« konzertiert allerdings tatsächlich im schönsten Wortsinn. Es braucht dazu nicht einmal ein gegenüber gestelltes Orchester, um ganz nebenbei auch orchestrale Strahlkraft zu entfalten.
Allein der warm-gerundete, herrlich weitschwingende Ton der alten Instrumente vermag sich im Kirchenschiff prächtig zu entfalten und zu betören. Vielleicht verzichtet man zu dessen Gunsten auf ein all zu ausgeprägtes Affetto-Spiel, was dem musikalischen Genuss keinerlei Abbruch tut. Vielmehr setzt das Ensemble - ganz gleich in welcher Besetzung -Êauf Klarheit in der linearen und thematischen Diktion, auf motivisches »Ballspiel« zwischen den Stimmen und phrasierungsbewusstes Musizieren.
Beispiele solch hochstehender Kunst lieferten gleich mehrere weltliche und kirchliche Kompositionen von Johann Rosenmüller, dessen starke Präsenz beim Konzert durchaus mit seiner neuerlichen Wiederentdeckung korreliert.
Die Sonaten prima und seconda a tre etwa, die von den Ausführenden mal geerdet (bei schreitender Themenfortspinnung) mal mit tänzelnder Leichtigkeit und Frische dargeboten wurden. In Rosenmüllers »Lamentatio Jeremiae Prophetae« kann Martin Backhaus seinen wohlgerundeten Bass gestaltungssicher einbringen und mit Wohlklang und differenziertre Ausdruckskraft im Spektrum von rezitativischer Deklamation bis zum Arioso glänzen. Auch die melismenreichen Gesänge wie sie Sisto Reina und Nikolaus Bruhns in ihren »De profundis Clamavi«-Psalmvertonungen forderten, gelingen mit beneidenswerter Geschmeidig- und Beweglichkeit. Raum für Kontemplation eröffneten die beiden Barockviolinistinnen mit Thomas Morleys »Il lamento«. Dies mit unaufdringlicher und doch präziser Phrasierkunst. - Deliziös!

Artikel vom 27.09.2005