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Entschuldung befreit - Armut noch unbesiegt

Neue Treuhandkonten sollen gegen Korruption helfen

Von Christiane Oelrich
Washington (dpa). Ein neuer Befreiungsschlag für die ärmsten Länder ist in greifbare Nähe gerückt - am Wochenende sind in Washington für den größten Schuldenerlass, den es je gab, die letzten Weichen gestellt worden.

Von »Durchbruch« und »historischem Schritt« war auf Seiten der Geberländer die Rede. Aktivisten, die seit Jahren für eine Entschuldung der verarmten Länder kämpfen, begrüßten die Zusagen zwar, betonten aber, dass viel mehr nötig sei, um die Länder ein für alle Mal aus der Armut zu befreien.
Zunächst 18 Länder sollen Ende des Jahres von ihren Restschulden bei der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der afrikanischen Entwicklungsbank befreit werden. Den Ländern waren im Schnitt bereits etwa Zweidrittel ihrer Schulden durch die so genannte HIPC-Initiative von IWF und Weltbank erlassen worden. In vielen Fällen war aber klar, dass selbst der Restschuldenberg nicht abzutragen war. »Jetzt bewegt sich etwas«, sagte der Finanzminister von Niger, Lamine Ali Zeine, in Washington.
»Die Entschuldung ist ein guter Schritt«, sagte Stephen Rand von der Gruppe »Jubilee Debt Campaign«. »Und morgen brauchen wir den nächsten Schritt, und dann Riesenschritte in der Zukunft: mehr Länder, mehr erlassene Schulden und ein Ende der wirtschaftspolitischen Bedingungen, die daran geknüpft werden.«
»Selbst diese Vereinbarung beendet nicht die Schuldenkrise«, sagte Jo Kuper von der Organisation »World Development Movement«. Denn für die meisten Länder ist der verheerende Schuldendienst, der oft mehr Geld auffraß als das gesamte Bildungsbudget, längst nicht vorbei. Die Hilfsgruppen schätzen, dass die Länder im Durchschnitt Zweidrittel ihrer Gesamtschulden loswerden, ein Drittel verbleibt aber, bei kommerziellen Banken und bilateralen Gebern.
Kuper sagt, dass nicht nur die 18 Länder der ersten Phase oder 38, wie vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen, sondern mehr als 60 Länder dringend von ihrer Schuldenlast befreit werden müssen.
Kritisch sehen die afrikanischen Länder auch die Bedingungen, die an den Schuldenerlass geknüpft sind. Sie müssen sich an jede Menge Auflagen des IWF wie Privatisierungen und Handelsliberalisierungen halten. »Wir wünschten uns, dass die Bedingungen vereinfacht werden«, sagte der Finanzminister von Niger in Washington. Vieles sei wirklich äußerst schwer umzusetzen.
Doch glauben westliche Politiker, ohne dies laut zu sagen, dass Korruption in vielen der besagten Ländern Volkssport ist und frei gewordene Mittel nur verpulvert würden, wenn der IWF kein strenges Überwachungskorsett schnüre. Diese Fesseln will der ehemalige Investmentbanker und heutige Drittweltaktivist Sony Kapoor mit einem neuen Konzept durchschlagen.
Verschuldete Länder, deren Regierungen die Geber nicht über den Weg trauen, sollten die Chance bekommen, die für den Schuldendienst benötigten Beträge zunächst in ein Treuhandkonto einzuzahlen. »Dort wächst die Summe zusehends, was Regierung und Bevölkerung schnell ein Ansporn würde, Bedingungen für die Ausschüttung zu erfüllen«, sagt er. Diese Bedingungen würden von einer Gruppe Länder aus der gleichen Region bestimmt und überwacht - damit sei gleich das üblichen Muster passé, dass ein Club, in dem die Reichen das Sagen haben, den Armen diktiert, wo es lang geht.

Artikel vom 26.09.2005