24.09.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Deutschland ist nicht Jamaika -
Grüne geben Union einen Korb

Merkels Ausgangslage verschlechtert: Bleibt nur die große Koalition?

Von Ulrich Scharlack
und Basil Wegener
Berlin (dpa). Eine leidenschaftliche Romanze wird aus dem schwarz-grünen Flirt wohl nicht werden. Zu hart sind die Worte, mit denen die Grünen-Chefs der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel nach ihrem Sondierungsgespräch in Berlin vorerst einen Korb geben.

»Die Tür ist nicht zu«, sagt Merkel zwar nach dem 90-minütigen Gespräch. Doch schon die Körpersprache von Unions- und Grünenspitze deutet an, wer sich von diesem unerwarteten Beschnuppern mehr erhofft hatte.
Der Schatten hat sich vom Platz vor der Parlamentarischen Gesellschaft gerade zurückgezogen, als Merkel und der CSU-Chef Edmund Stoiber um 13.32 Uhr das vorläufige Ende der Sondierung mit den Grünen verkünden. »Frau Merkel und ich wollten ja über Sachpunkte reden«, sagt Stoiber mit ernster Miene, die Hände wie Merkel vor dem Körper gefaltet. Die Grünen hätten das nicht gewollt. Merkels Lächeln erstrahlt immer wieder, um schnell zu weichen. Nach acht Minuten, wendet sie sich rasch ab, Stoiber folgt.
Das anschließende Grünen-Statement dauert fünf Minuten länger und ist einige Dezibel lauter. »Klar war von Anfang an, dass es Gründe für erhebliche Skepsis gab«, sagt Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. Sein rechter Fuß schlägt im Takt der Worte auf den Asphalt. Bei dem »Versuch eines Gespräches« hätten Merkel und Stoiber »nichts gesagt« über ihre Konsequenzen aus dem Wählervotum gegen den neoliberalen Kurs von Schwarz-Gelb.
Für die von Merkel vorgeschlagene Fortsetzung der Sondierung »auf technischer Ebene« gebe es daher keine Voraussetzung. Co-Vorsitzende Claudia Roth lobt zwar den »historischen Moment« und die »Entdämonisierung« der Grünen durch die Union. So lange habe sie noch nie mit Stoiber an einem Tisch gesessen. Angenehm sei es gewesen. Aber eine gemeinsame Perspektive? »Für morgen, für übermorgen«, sagt Roth.
Merkels Ausgangslage im Koalitionspoker hat sich nicht verbessert. Die Kanzlerkandidatin und ihre Getreuen hatten eigentlich gehofft, die Option »Jamaika« so lange wie möglich offen halten zu können, um der SPD zu signalisieren: Wir müssen nicht unbedingt mit Euch ein Bündnis eingehen.
Nun hat Merkel am Mittwoch in der zweiten Runde der Sondierungen mit SPD-Chef Franz Müntefering und Bundeskanzler Gerhard Schröder einen Trumpf weniger im Blatt. Union und SPD scheinen nun erstmal nur eine Möglichkeit für eine Regierungsbildung zu haben: die von beiden nicht sonderlich geliebte große Koalition. Die CDU-Vorsitzende versuchte deshalb den Eindruck zu vermitteln, aus ihrer Sicht sei nicht alles aus mit den Grünen. Es sei »nichts beendet, aber nichts verabredet«, formulierte Merkel. Viel Hoffnung hat sie aber wohl nicht mehr.
Stoiber kam der vorläufige Abbruch der Unterredungen sicherlich nicht ungelegen. Ohnehin nicht auf dem Gipfel seiner Macht als Parteichef hätte er allergrößte Schwierigkeiten gehabt, den Seinen einen Koalitionspartner Grüne nahe zu bringen, die er in Reden seit Jahren als Oberblockierer im Lande geißelt. Eine CSU-Stammklientel wie die bayerischen Landwirte hätte sich wohl kaum mit einer Verbraucherministerin Renate Künast in einem unionsgeführten Kabinett angefreundet. Nur wenn sich die Lage in den Gesprächen mit der SPD noch einmal dramatisch zuspitzen würde, könnte Stoiber vielleicht seiner Partei die Grünen zumuten.
Ob dann die Grünen mitspielen würden, ist noch nicht abzusehen. Bütikofer meinte, dass die Wahrscheinlichkeit für ein kurzfristiges Bündnis allenfalls »im Bereich der Nachweisgrenze« liege. Aber auch für die Grünen spricht einiges dafür, die Jamaika-Option mit Blick auf die Zukunft noch nicht völlig untergehen zu lassen.
Ob als Langfrist-Option für eine in einer großen Koalition gefangenen Union oder als Rettungsanker im derzeitigen Koalitionspoker - auch die Union wird die Grünen im Auge behalten. Claudia Roth säuselte schon einmal lobende Worte in Richtung Stoiber: »Er hatte eine wunderschöne Krawatte an. Die hat genau zum Anlass gepasst. Da hat er nämlich Stil. Die war hellblau und grün.«

Artikel vom 24.09.2005