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Antoine de Saint-Exupéry

»Sprache ist das Haus des Seins.«
Martin Heidegger
»Sprachbildung ist Geistessache.«

Leitartikel
Denglish, Dumm-Englisch

Mega-hip
und
hop-modern


Von Rolf Dressler
Entgegen anders klingenden Miesrednern sind wir Nachfahren der altehrwürdigen Germanen, wenn's drauf ankommt, durchaus zu einer wohldosierten Ironie fähig. Das weist auch diese augenzwinkernde Volksmundweisheit aus: »Deutschsein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen tun.«
Ach, würde der heutige Deutsche doch nur einen sorgsameren Umgang mit seiner schönen Muttersprache pflegen - um ihrer selbst willen. Der Einsatz lohnte allemal. Und er kostet nicht einmal etwas, ausgenommen natürlich das ganz persönliche Bemühen jedes Einzelnen und die gemeinschaftliche Anstregung aller Beteiligten. Nach Kräften mittun müssten Alt und Jung, Elternhaus, Schule und Hochschule und - durchaus nicht zuletzt - natürlich auch die Redaktionen von Presse, Funk und Fernsehen.
Das in der Tat wäre ein extra gutes Werk. Doch der Weg von der Erkenntnis zur Einsicht ist recht steinig, weil Sprachschluderei namentlich in deutschen Landen groß in Mode ist. Wie wohl nirgendwo sonst wird sie angeheizt von einer spätgermanischen Massensucht, dem Drang zu »Denglish« und »Dumm-Englisch« - Wortmalerei, die im Grunde schon alles sagt, über die Urheber vor allem.
Beflissen biedert man sich an, kehrt vermeintliche Weltläufigkeit heraus und erntet dafür günstig- stenfalls ein nachsichtig-mitleidiges Schmunzeln.
Viele Deutsche stümpern und stolpern umher, merken zumeist nicht einmal mehr, was sie sich und unserem wertvollsten Kulturgut, der eigenen Muttersprache eben, antun, und fühlen sich dabei sogar auch noch mega-hip und hop-modern.
Da überfrachtet etwa der Fernsehsender T 5 eine Mitteilung an die deutschsprachige Presse zu einer neuen Starfilm-Reihe gnadenlos mit Countdown, Outdoor, City Light Promotion, Claims, Primetime, On Air Design und Agentur Opium Effects.
Der Bundesverband deutscher (!?) Pressesprecher lädt zeitgeistgefönt ein zur »Speakersnight« - wenn schon, dann müsste es kor- rekt »Speakers' Night« heißen.
Deutsche Geisteswissenschaftler der Freien Universität Berlin wollen ein Dahlem Humanities Center mit Graduate School, Fellowships, Think Tanks, einer Hegel Lecture und fünf Clustern schaffen. Das Pressezentrum im Leipziger Fußball-WM-Stadion 2006 heißt SMC/Stadium Media Center. Und am dortigen Welcome Desk werden auf der Screen die Accreditation Cards der Sportjournalistsen überprüft und Welcome Bags ausgegeben.
Was einst Arbeitsplatz genannt wurde, heißt im »modernen« Jargon gedankenlos längst nur noch »Job«. Das klingt eher nach Wegwerfartikel, zumindest aber nach Gelegenheitsarbeit. Aus den Augen, aus dem Sinn geraten offenbar der hohe ethische Rang sowie die fundamentale Bedeutung und die Wertschätzung menschlicher Arbeit überhaupt.
Goethe und Schiller lassen da wohl nicht grüßen. Man kann's verstehen, liebes Deutschland...

Artikel vom 24.09.2005