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Vertreibung ist nicht Geschichte

»Tag der Heimat« mit 300 Gästen

Bielefeld (sas). Vertreibung - das bedeutet Leid, das, so Oberbürgermeister Eberhard David, am Schicksal des Einzelnen sichtbar wird. Dennoch, kritisierte Dr. Wolfgang Thüne, würden die Heimatvertriebenen in Deutschland oft als Friedensstörer, Entspannungs- und Versöhnungsfeinde, als Ewiggestrige tituliert - »nur, weil wir uns für die ungeteilte Gewährung der Menschenrechte einsetzen«.

Thüne war Festredner des »Tages der Heimat«, den die Kreisvereinigung der ostdeutschen Landsmannschaften, Heimatgruppen und Ortsverbände gestern im Gymnasium am Waldhof begangen haben. Das (bundesweite) Motto in diesem Jahr: »Vertreibung weltweit ächten«.
Thüne, 1943 im ostpreußischen Rastenburg geboren und Landesvorsitzender des Bundes der Vetriebenen in Rheinland-Pfalz, beklagte, dass »die Vertriebenen zu Verbrechern gestempelt werden, die mit der Vertreibung der gerechten Bestrafung zugeführt worden wären.« Aber die Kinder, Frauen, Greise, die vor allem betroffen waren - sie seien vor allem Opfer gewesen.
Worte des Mitgefühls, wie sie der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, José Ayala Lasso für die deutschen Vertriebenen gefunden habe, vermisse er häufig im eigenen Lande. Und die nackte politische Wahrheit, betonte er vor gut 300 Gästen, sei, dass die rot-grüne Regierung nicht über Vermögensfragen verhandeln wolle. Aber: »Bei der ... brutalen Verletzung von Menschenrechten hat selbst bei größtem taktischem Kalkül die außenpolitische Opportunität... ihr Ende zu finden.« Und der Redner forderte, unermüdlich für die Verwirklichung der Menschenrechte, auch der eigenen, zu kämpfen.
Mehr als 14 Millionen Deutsche, erinnerte David, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben, zwei Millionen starben. Und auch wenn er Deutschland nicht von der Verantwortung freisprechen wollte, den Krieg begonnen und Leid über die Menschen gebracht zu haben: »Es traf auch das eigene Volk und besonders hart die Vertriebenen.« Sie hätten sich hier eingegliedert und maßgeblich am Wiederaufbau mitgearbeitet.
»Flucht, Deportation und Vetreibung - das sind aber nicht nur Begriffe der Vergangenheit.« Insofern sei der Tag der Heimat nicht überholt, sondern habe vielmehr einen unverzichtbaren Sinn. Die Ächtung von Vertreibung und Durchsetzung der Menschenrechte, so David, sei notwendig. »Denn Heimat zu haben ist ein Grundbedürfnis des Menschen, der tragende Grund und Teil der Identität.«

Artikel vom 26.09.2005