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Musikalische Erkundung Südamerikas

Junge Sinfoniker in Höchstform

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Das Orchester hat Aufstellung genommen, das Licht wird heruntergedimmt, da schickt die Oboe bereits ihr sehnsuchtsvoll getragenes Solo durch den Saal. Doch wo ist Reinhold Westerheide? Der Dirigent der 64. Arbeitsphase der Jungen Sinfoniker kommt gerade rechtzeitig, um dem sich anschließenden Fagott seinen Einsatz zu erteilen.

Von erfrischend anderer Seite präsentierte sich das regionale Jugendsinfonieorchester am Samstagabend beim Konzert in der Oetkerhalle. Leger und bunt gekleidet, setzten die jungen Instrumentalisten nicht nur optisch Akzente jenseits des konventionellen Konzertbetriebs. Mit der musikalischen Erkundung Südamerikas bereicherten sie nach 2000 nun schon zum zweiten Mal unter der Leitung von Westerheide den sinfonischen Programmzettel mit transatlantischen Impressionen.
Zu würdigen ist hingegen an vorderster Stelle, dass die Attraktivität des Werkekanons ihr Pendant in einer Spielkultur von enorm hohem Niveau fand. Nicht zuletzt die Dozenten müssen im Vorfeld intensiven Schliff angelegt haben. Den musikalischen Puls hingegen dürfte der studierte Gitarrist und Schlagwerker Westerheide dem Orchester eingehaucht haben. So metrisch inspiriert und in trennscharfer Intonation aufgefächert (brillant in den Bläsergruppen, homogen in den Streichern, sensibel im Schlagwerk), ließ der Auftakt mit Carlos Chávez »Toccata für Orchester« aufmerken und öffnete Herz und Ohren für die musikdramatische Version des Don Quijote. In Alberto Ginasteras Harfenkonzert bewiesen die Jungen Sinfoniker feines Gespür für den versponnen-verwobenen Fluss von Tanzrhythmus und Melodie. Präzise und facettenreich wurden im spannungsreichen Spiel dem zart flirrenden Klangteppich perkussive Akzente entgegen gesetzt. Meditative Tiefe im Mittelsatz und entfesselte Spielfreude im Finalsatz zeichneten nicht nur die Orchestermusiker aus: Mit Emilie Jaulmes stand eine Solistin von charismatischer Spielkultur zur Verfügung, die ihren vielgestaltigen Part so sensibel wie temperamentvoll durchwanderte und nebenbei mit beneidenswert manuellen Fähigkeiten berauschte.
Mit einem gebrochenen Eingangsakkord von musikdramatischer Spannweite eröffneten die jungen Talente nach der Pause Heitor Villa-Lobos Sinfonische Dichtung »Uirapurú«. In bewegender, lautmalerischer Klangrede ging's in Folge durch den brasilianischen Regenwald. Für den atmenden Duktus zwischen Melancholie und Dramatik sorgten unter anderem Primgeigensentiment nebst geschmeidigen Klarinettenkantilenen, »walzende« tiefe Streicher, wispernde Geigen sowie markante Blechbläser. Dass sich das Orchester selbst auf die Parodie mexikotypischer Mariachi-Musik versteht, stellten sie mit Aaron Coplands Orchesterstück »El Salón Mexico« eindrucksvoll unter Beweis, ehe eine nicht minder unterhaltsame Potpourri-Zugabe aus der Feder Reinhold Westerheides einen durchweg anregenden und genussreichen Konzertabend beendete.

Artikel vom 26.09.2005