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Dr. Stella Ahlers zieht die Männer an

Herforderin studierte Jura und Theologie -ÊBekleidungshersteller in der dritten Generation

Von Bernhard Hertlein
Herford (WB). Frauenmode wird oft von Männern gemacht. Dass eine Frau Männer anzieht, ist dagegen eher selten. Dabei sähen manche Herren sicher besser aus, wenn Frauen über ihre Garderobe entschieden. In Herford steht Dr. Stella Ahlers (40) seit kurzem an der Spitze des nach Boss zweitgrößten deutschen Herstellers von Männerbekleidung.
Mit Dr. Stella Ahlers, Enkelin des Unternehmensgründers, tritt erstmals in der Geschichte der Ahlers AG eine Frau an die Spitze des Vorstandes. Foto: Ahlers

Damit steht, nachdem das Unternehmen zwischenzeitlich von Karl Galling geführt wurde, nun in dritter Generation wieder ein Mitglied der Familie Ahlers an der Spitze. Angefangen hat es mit Adolf Ahlers, der 1919 im friesischen Jever eine Tuchgroßhandlung gründete. 1925 zog das Unternehmen zunächst nach Oldenburg und sieben Jahre später weiter nach Herford. Seit 1987 wird Ahlers an der Börse geführt; nach wie vor befindet sich aber die Mehrheit der Aktien im Besitz der Gründerfamilie.
Für Stella Ahlers heißt das: Das Amt der Vorstandsvorsitzenden ist eine Lebensaufgabe. Wo andere Manager durch »Job-Hopping« schneller auf der Karriereleiter aufsteigen wollen, ist »ein Wechsel nicht in meiner Perspektive«. Sie möchte die Familientradition fortsetzen und dabei für alle Aktionäre da sein: »Ich glaube, dass Stetigkeit in der Führung gut ist für die AG.«
Grundsätzlich, so berichtet Ahlers, habe ihr Vater Jan gegenüber ihr, dem einziger Kind, stets betont, es sei ihre Entscheidung, ob sie ins Unternehmen einsteige oder nicht. In der Praxis habe er sie zeitlebens genau darauf vorbereitet. Schon früh arbeitete sie in den Ferien im Betrieb und durchlief sämtliche Abteilungen. »Seit meinem 25. Geburtstag hat mich mein Vater in alle Entscheidungen, die das Unternehmen betrafen, einbezogen«, sagt Ahlers.
Studiert hat sie nach dem Abitur am Herforder Friedrichsgymnasium in Paderborn und Bonn katholische Theologie und Jura. Ihre Promotion in Staatskirchenrecht über die »Gleichstellung der Frau in Staat und Kirche«Êwird in Kürze im Münsteraner LIT-Verlag veröffentlicht. Dass Ahlers nicht Betriebswirtschaft studierte, war »zu Anfang sogar ein bisschen revolutionär«. Gerade der juristische Teil der Ausbildung stellte sich aber als gute Vorbereitung für die Management-Aufgabe heraus.
Stella Ahlers, die aus privaten Gründen in Zürich einen zweiten Wohnsitz hat, weiß, was auf sie zukommt: »Ein Unternehmer hat niemals Feierabend.« Die Verantwortung werde man auch außerhalb des Betriebs und selbst im Urlaub nicht los.
Die meisten Männer, die Kleidung aus dem Hause Ahlers tragen, wissen dies gar nicht. Die Herforder treten im Handel nicht unter ihrem eigenen, sondern nur mit den Markennamen auf. Im Top-Bereich, in dem Stella Ahlers die Marktanteile deutlich erhöhen möchte, sind dies Pierre Cardin (in Lizenz), Otto Kern und Eterna (Hemden). Im mittleren Marktsegment folgen Jupiter, Gin Tonic, Sisignora und Pionier (Sport, Jeans und Berufskleidung).
Mit 85 Prozent erzielt Ahlers den größten Teil des Umsatzes von 319,9 Millionen Euro im Herrenbereich. Dies bleibt so. Ahlers plant jedenfalls nicht, auf den Spuren von Boss eine eigene Damenkollektion: »Dazu sind die beiden Modewelten zu verschieden.«
Neben der Begeisterung für das Unternehmen hat Stella Ahlers auch die Begeisterung für Kunst von ihrem Vater geerbt. Während jedoch Jan A. Ahlers Expressionisten und später die Kunst der sechziger Jahre sammelte, begeistert sich die Tochter eher für die Gegenwart und dabei besonders für russische und chinesische Künstler.
Beide Regionen könnten auch im Unternehmen künftig eine bedeutendere Rolle spielen. »In Russland sprechen die Menschen viel mehr über die Schönheit der Mode und viel weniger über den Preis.« Als Markenhersteller müsse man sich jetzt seinen Markt schaffen. In Ländern wie Polen seien die »Claims schon abgesteckt«. Neu in den Blick nimmt Ahlers derzeit die Ukraine und das Baltikum. Hinzu kommen sollen später der Nahe Osten, die USA sowie Asien, wo die Ostwestfalen in Sri Lanka bereits vor Ort produzieren. In Deutschland will Ahlers gemeinsam mit den Händlern einen Online-Shop aufbauen.
Von den 3892 Beschäftigten arbeiten 906 in Deutschland, davon 577 in Herford. Am Stammsitz wird auch Stella Ahlers festhalten - zumal ihr die Heimatstadt auch emotional noch einmal näher gekommen ist: »Vom MARTa bin nicht nur ich vollauf begeistert.«

Artikel vom 23.09.2005