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Auch die Schwächen machen begehrenswert

Isabelle Allende legt mit »Zorro« einen liebevollen und spannenden Abenteuerroman vor

Von Bernhard Hertlein
Trotz UNO und bürgerlichen Gesetzbuches, trotz Demokratie und Rechtsstaat: Manchmal wünscht man sich, es käme ein Maskierter und ritzte allen, die aus Macht- und Geldgier ungestraft über Leichen gehen, ein blutiges »Z« in die Wange.
Bestseller-Autorin Isabelle Allende.Foto: dpa
Antonio Banderas und Catherine Zeta-Jones.

Liegt es daran, dass »Zorro«, der Rächer der Armen und Vorbild für Batman und Superman, 86 Jahre nach seinem erstmaligen Erscheinen in Johnston McCulleys Roman »Der Fluch von Capistrano« (1919) heute wieder so gefragt ist? Siebzig Mal diente er bereits als Stoff für Kino- und Fernsehfilme. Und nun feiert schon die nächste Version der »Legende des Zorro« (mit Anthony Hopkins, Antonio Banderas und Catherine Zeta-Jones) in der zweiten Oktoberhälfte Premiere in deutschen Kinos.
Doch nicht nur dies: Isabel Allende hat sich ebenfalls Zorros angenommen und diesmal seiner Jugend mit leichter Feder ein literarisches Denkmal gesetzt.
Die in Chile aufgewachsene und seit langem in Kalifornien lebende Autorin erzählt in ihrem neuesten Roman (»Zorro«, Suhrkamp-Verlag, 22,80 Euro), wie aus Diego de la Vega der Maskenmann wurde. Geboren in der Nähe von Los Angeles als Sohn eines spanischen Hacienda-Besitzers und einer Halb-Indianerin entdeckt er bei der Initiation durch seine Großmutter »Weiße Eule« sein Totemtier, den Fuchs (spanisch: Zorro). Es sind diese Szenen allein in den Wäldern des Wilden Westens, in denen man noch die Autorin des »magischen Realismus« erkennt. Ansonsten ist das Buch einfach prall voll Leben und Liebe, voll Not und vor allem Abenteuer.
Mit 16 Jahren verlässt Diego gemeinsam mit seinem indianischen Milchbruder Bernardo Kalifornien, um sich in Barcelona bei einem Freund seines Vaters zu einem echten Herren ausbilden zu lassen. Dort lernt Diego das wahre Leben kennen. Er bekommt Fechtunterricht und verliebt sich in Juliana, die Tochter seines Hausherrn - ohne Chance, dass die Liebe je erwidert wird. Hätte er mal ein Auge für Isabel gehabt, Julianas Schwester! Sie kompensiert ihre unerfüllte Liebe, in dem sie ein Buch über das Objekt ihrer Schwärmerei schreibt.
Spanien erlebt nach dem Rückzug der napoleonischen Truppen einen Rückfall in die Diktatur. Gestalten wie Rafael Moncada, ebenso reich wie fies und natürlich Diegos Nebenbuhler bei Juliana, kommen zu Macht und Einfluss. In dieser Situation greift Diego erstmals zur Zorro-Maskerade. Sie tut ihre Wirkung, als Diego seinen Fechtlehrer befreit. Aber sie bewahrt ihn nicht davor, nach der Hinrichtung von Julianas und Isabels Vater mit den Frauen zu fliehen.
Allendes »Zorro«- wer möchte es ihm verdenken? -Êmöchte bewundert werden. Die Autorin aber sieht und benennt sehr wohl seine Schwächen. Für Isabel wie für viele Frauen im Roman - und für die Leserinnen - wird er nur noch begehrenswerter. So viel Liebe, Augenzwinkern und Spannung findet sich selten in einem Abenteuerroman. Die Lektüre dieses Buchs macht einfach Spaß.

Artikel vom 24.09.2005