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Atomstreit: Russland hilft Iran

Moskau verhindert Einschaltung des UN-Sicherheitsrates - Israel sieht Gefahr

Wien (dpa). Der Atomstreit zwischen der Europäischen Union und dem Iran kommt vorläufig nicht vor den UN-Sicherheitsrat.

Angesichts des offenen Widerstands vor allem Russlands und Chinas änderte die EU bei der Internationalen Atomorganisation (IAEO) in Wien gestern eine Resolution, nach der Teheran wegen zahlreicher Verstöße gegen die Statuten der UN-Atombehörde dem Sicherheitsrat gemeldet werden sollte.
Russland bekräftigte in Wien, dass es die Einschaltung des UN-Sicherheitsrats als »unnötige Eskalation« und als »kontraproduktiv betrachte. Der Iran wies erneut alle Vorwürfe zurück, zeigte sich aber verhandlungsbereit. Israel bedauerte den Schritt der EU.
Nach einer ebenfalls gestern in Wien zirkulierenden Resolution des EU-Trios (Deutschland, Frankreich und Großbritannien) wird IAEO-Generaldirektor Mohammed el Baradei jetzt aufgefordert, bis zur nächsten Tagung des Gouverneursrats im November einen neuen Bericht über die Zusammenarbeit mit dem Iran vorzulegen. Auf dessen Basis müssen die 35 Mitgliedsländer des Gremiums entscheiden, ob und wann Teheran dem Weltgremium in New York gemeldet wird.
Erstmals spricht die neue EU-Resolution davon, der Iran habe gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen. Nach den Regeln der Organisation müssen solche Verletzungen dem Sicherheitsrat gemeldet werden. Unter anderem wird Teheran vorgehalten, der IAEO 18 Jahre lang Teile seines Atomprogramms verschwiegen und Resolutionen der Atombehörde missachtet zu haben. Russland hat gestern Abend auch diesen neuen Resolutionsentwurf der EU abgelehnt.
Die Entscheidung, den Sicherheitsrat vorerst nicht einzuschalten, erfolgte mit Zustimmung Washingtons. Ein US-Diplomat in Wien betonte gestern, die USA unterstützten »die Bemühungen der EU, den breitest möglichen Konsens bei der Vorbereitung eines Berichts für den Sicherheitsrat zu erzielen«.
Zahlreiche Mitglieder des Gouverneursrats sprachen sich dafür aus, den Atomstreit zwischen der EU und dem Iran auf dem Verhandlungsweg zu lösen.
Vor allem China und die Gruppe der zwölf blockfreien Staaten betonten Irans Recht auf friedliche Nutzung der Atomenergie. Iran wurde jedoch mehrfach aufgefordert, die im August wieder aufgenommene Uranumwandlung in Isfahan zu beenden und damit zu dem im November 2004 mit der EU geschlossenen Abkommen zurückzukehren.
IAEO-Chef el Baradei begrüßte die Entscheidung der EU ausdrücklich. »Was auch immer beide Seiten wieder an den Verhandlungstisch bringt, ist eine gute Sache«, sagte er vor der Sitzung des Gouverneursrats.
Nach den seit Jahren praktizierten Regeln des Rats werden IAEO-Resolutionen grundsätzlich »einmütig« gefasst. Eine Mehrheitsentscheidung gegen den Willen Moskaus und Pekings hätte ein gemeinsames Vorgehen im UN-Sicherheitsrat gegen den Iran vermutlich unmöglich gemacht. Dort verfügen die beiden ständigen Ratsmitglieder über das Veto-Recht.
Irans Botschafter bei der IAEO, Mohammed Akhondsadeh, wies alle Vorwürfe der EU entschieden zurück, wonach Teheran in den vergangenen Jahren das Ausmaß seiner atomaren Aktivitäten zum Teil »verheimlicht« und die Wiener Atombehörde »getäuscht« habe. Die Internationale Gemeinschaft sei »durch voreingenommene, politisierte und übertriebene Berichte bestimmter Kreise getäuscht« worden, sagte er. Gleichzeitig zeigte Akhondsadeh sich aber weiter verhandlungsbereit.
Die israelische Regierung bedauerte die Entscheidung. »Wir müssen hier sehr viel deutlicher auftreten, auch von Seiten Europas und der Vereinigten Staaten, und diese Versuche der Iraner aufhalten«, sagte Vize-Ministerpräsident Ehud Olmert. Das iranische Atomprogramm könne sich »durchaus zu einer Gefahr für uns und für andere Länder entwickeln«.Seite 4: Kommentar

Artikel vom 23.09.2005