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Dr. Jekyll und
Mister Hyde

Borussia präsentiert zwei Gesichter

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Mönchengladbach (WB). Offenbar ist Borussia Mönchengladbach eine Mannschaft mit zwei Gesichtern. Das hübsche Anlitz setzte der Arminia-Gegner in der zweiten Halbzeit beim 1. FC Köln auf. Die endete 1:0 für die Gäste. Leider reichte das nicht, die Geißböcke hatten zwei Treffer vorgelegt.

Nach der Pause zeigten sich die Gladbacher auch drei Tage später gegen Werder Bremen von der schönsten Seite. Und dieses Mal war es gut genug. So verwandelte sich das 0:1 noch in ein 2:1. Allerdings misslang der erste Spielabschnitt dermaßen gründlich, dass Arminia-Trainer Thomas von Heesen auf der Tribüne mit seinem Sitznachbarn, dem Bremer Ex-Profi und langjährigen Co-Trainer Karl-Heinz Kamp, übereinstimmte: »Da musste es schon 4:0 für Werder stehen.«
Die Borussen bringen derzeit eine gewagte Dr. Jekyll und Mister Hyde-Komponente in ihr Spiel ein, die sie so unberechenbar macht. Ein wenig schwanken sie zwischen gut und böse. Mit ihrem mal so und mal anders-Fußball kommen die Gladbacher natürlich nicht so recht vom Fleck. Immerhin bescherte der unerwartete Coup gegen die Champions League-Spieler aus Bremen einen Tabellensatz auf Rang zehn und ein Fünf-Punkte-Polster auf die Abstiegsplätze. Wichtiger noch: Die Diskussion um Trainer Horst Köppel, die schon eingesetzt haben soll, verstummte zunächst wieder.
Was den schon seit Jahren nur noch in gemäßigtem Trab über die Fußballfelder ziehenden »Fohlen« an diesem Samstag in der SchücoArena zuzutrauen ist, bleibt trotzdem ungewiss. Wer beim Tippen auf Statistiken baut, sollte es mit einer »1«, höchstens einer »0« versuchen. Denn seit dem 10. April 2004, dem inzwischen fast legendären Nachmittag des 2:1 bei Hansa Rostock, gewann Borussia kein Auswärtsspiel mehr. 22 Partien umfasst diese schwarze Serie nun schon. Die ist so elend, dass Arminias Sport-Geschäftsführer Reinhard Saftig unkt: »Das ist nur eine Statistik. Der traut man nicht.« Es gäbe auch noch eine andere Zählart zu berücksichtigen: dass Gladbach in Bielefeld schon häufiger gewann als verlor.
Was die Mannschaft vor hat auf Arminias Rasen, kann sich Thomas von Heesen denken. Den Druck aus dem Spiel der Gastgeber nehmen und ihn mit Kontern in die Schranken weisen. Von den Stürmern des Gegners hält er viel. Vom Tschechen Sverkos, vom schnellen Neuville. Und von Kahé, der Borussia-Hoffnung aus Brasilien. »Ein robuster Mann mit Zug zum Tor«, hat Arminias Trainer ausspioniert. Der Südamerikaner spielt, von den beiden Kollegen muss einer zuerst auf die Bank.
Fest steht, dass die »Mönche« durch den überraschenden Sieg gegen Bremen eine Zusatzportion Mumm getankt haben, die sie gefährlicher macht als man glauben könnte. Dabei dürfte Borussia mit einer Neuauflage des Vorjahres-Resultates voraussichtlich eher einverstanden sein als die Heimelf. Es gab eine Nullnummer.

Artikel vom 24.09.2005