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Aktiv gegen den Schmerz
Schmerzspezialisten am Lesertelefon: Vielen Patienten kann geholfen werden
Chronische Schmerzen, vor allem Rücken- und Gelenkschmerzen, quälen Millionen Deutsche fast jeden Alters. Entsprechend viele Leser nutzten kürzlich das Angebot, mit ärztlichen Experten am WESTFALEN-BLATT-Lesertelefon zu sprechen.
»Ich wäre so gerne einmal wieder aktiv, möchte Sport machen, wandern oder schwimmen. Aber meine Gelenke! Die Schmerzen bringen mich bald um. Muss ich mich damit abfinden?« So wie dieser 54-jährigen Patientin aus Herford ging es vielen Schmerzpatienten, die um Rat fragten.
Das Fazit von Dr. Florin Mirescu, Oberarzt an der Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin am Bielefelder St. Franziskus-Hospital, und Dr. Axel Krau, Facharzt für Anästhesie und Schmerztherapie in Bielefeld: Viele Menschen werden falsch oder gar nicht behandelt. Mirescu: »Dabei könnte man ihnen man sehr schnell zu mehr Lebensqualität verhelfen.«
Der Weg zur Schmerzfreiheit gestaltet sich für die meisten Betroffenen langwierig. Viele fühlen sich mangelhaft betreut und finden oft selbst nach einer »Ärzte-Odyssee« keine Linderung. Dr. Axel Krau, Leiter des Bielefelder Zentrums der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie: »Mit einer individuellen, ganzheitlichen Therapie aus Medikamenten, Entspannungsübungen und auch psychologischer Betreuung könnte den meisten Betroffenen erhebliches Leid erspart bleiben.«
Jeder kennt Schmerzen. Sie verschwinden, wenn die Ursache behoben ist. Doch im Gegensatz zu diesen akuten können Schmerzen auch chronisch werden. Wenn Schmerzen länger als sechs Monate oder über die erwartete Heilungszeit eines Bruchs oder einer Verletzung andauern, spricht man von chronischen Schmerzen.
Unsere Nervenbahnen speichern jeden Reiz. Je länger ein Schmerz anhält oder je stärker er ist, desto tiefer gräbt er sich ein. Dann lösen selbst schwache Reize starke Schmerzen aus. Mediziner sprechen vom Schmerzgedächtnis. »Umso wichtiger ist es, dass Schmerzen von Anfang an richtig behandelt werden, um einer Chronifizierung vorzubeugen«, beschreibt Dr. Mirescu. Doch für fast acht Millionen Menschen sind chronische Schmerzen Alltag. Neben dem fortwährenden Schmerzleiden beklagen sie einen generellen Verlust an Lebensqualität, wie die ältere Dame aus Gütersloh: »Ich habe alle Hobbies aufgegeben und kann mich über nichts mehr freuen.«
Die Experten kennen das. »Eine begleitende Psychotherapie innerhalb der Schmerztherapie gewinnt daher immer mehr an Bedeutung«, weiß Dr. Krau. Bevor aber die Spezialisten aufgesucht werden, sollten die Patienten den Hausarzt konsultieren. »Die Kollegen kennen die Vorgeschichten der Betroffenen, wissen über die Lebensumstände Bescheid und können so schon Ursachen erkennen.«
In einem sind sich die Experten einig: Rückzug ist die falsche Strategie. Daher lautet der Expertenrat auch: Aktivität statt Schonung! Gerade bei Rückenschmerzen empfehlen sie viel Bewegung, vor allem gezielte Gymnastik und Rückenschwimmen. Das stärkt die Muskulatur.
Lässt der Schmerz dies nicht zu, dann ist eine medikamentöse Therapie unerlässlich, um zunächst den Teufelskreis aus Schmerz, Schonhaltung und weiteren Schmerzen zu durchbrechen und eine Bewegungstherapie überhaupt zu ermöglichen. Die Schmerzärzte Krau und Mirescu wissen aber: »Bei vielen Betroffenen ist die Angst vor Opiaten groß. Doch das muss nicht sein. Kontrollierte und gezielte Medikationen bereiten keinerlei Probleme.«
Opioide seien gerade in der Langzeitanwendung besser verträglich und dosierbar als etwa rezeptfrei erhältliche Schmerzmittel. Weitere Informationen: Bundesverband Deutsche Schmerzhilfe e.V., Telefon 04142 / 81 04 34.
www.schmerzhilfe.de
www.schmerznetz.de

Artikel vom 01.10.2005