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Hausverbot für gehassten Bruder

Täter nach Explosion identifiziert - noch sechs Opfer im Krankenhaus

Von Christian Althoff
Höxter (WB). Blanker Hass gegen seinen Bruder hat seit Jahren das Leben des Frührentners Günther H. (64) bestimmt, der am Montag in Höxter sein Haus gesprengt hatte. Dabei waren außer ihm zwei Passanten getötet und 42 weitere Menschen verletzt worden, 50 Gebäude wurden beschädigt.
Rechtsanwalt Alexander Fischer durfte gestern Akten aus seiner zerstörten Kanzlei holen.

Wie gestern bekannt wurde, hatte Günther H. seinem im hessischen Königstein lebenden Bruder Wilfried (66) bereits vor etwa zehn Jahren Hausverbot erteilt und mit Gewalt gedroht, sollte der Bruder versuchen, »auch nur die Treppe des Hauses« zu betreten. »Dabei gehörte es den beiden doch zu gleichen Teilen!«, sagte gestern eine Verwandte kopfschüttelnd. Sie sieht die Ursache des Konflikts vor allem in der Person des 64-Jährigen: »Das war ein streitsüchtiger Eigenbrötler. Ein Querkopf, der zeitlebens keine Freunde hatte.«
Unter dieser Situation habe vor allem Irma H. gelitten, die hochbetagte Mutter der beiden Männer. Sie lebte bis zu ihrem Tod im Jahr 1999 mit Günther H. in dem Haus und soll sich mehrfach beklagt haben, dass sie ihren zweiten Sohn nicht sehen durfte. »Sie sagte immer: Ich habe doch zwei Kinder. Können die sich nicht vertragen?«, erinnert sich eine andere Verwandte. Irma H. war schließlich im Alter von 90 Jahren verstorben - ohne, dass sich ihre Kinder versöhnt hatten.
Der jahrzehntelange Streit der Brüder hatte sich zuletzt vor allem um die 1902 erbaute Immobilie gedreht. Wilfried H. sah nicht länger ein, dass er Miteigentümer seines Elternhauses sein sollte, wenn er es nicht betreten durfte. Deshalb hatte er im Januar vor dem Amtsgericht Höxter eine Teilungsversteigerung durchgesetzt, die am 7. Juni vom Landgericht Paderborn bestätigt worden war. Einen Termin für die Zwangsversteigerung gab es aber noch nicht. »Deshalb ist es für mich völlig unerklärlich, warum es am Montag zu dieser Tat gekommen ist«, sagte gestern Rechtsanwalt Michael Schuster aus Höxter, der Günther H. in vielen Rechtsstreitigkeiten vertreten hatte.
Ein Sprecher des Oberlandesgerichtes in Hamm bestätigte, dass die Brüder etliche Verfahren vor Gerichten ausgetragen hatten. Noch in der vergangenen Woche war beim Bundesgerichtshof ein Streitfall eingegangen, der nun vermutlich nicht mehr entschieden werden muss. »Die meisten Prozesse hatte Günter verloren. Das stachelte ihn dann noch mehr an«, erinnert sich ein Familienmitglied.
Die sterblichen Überreste, die Dienstagabend in den Trümmern gefunden worden waren, sind gestern anhand des Zahnschemas als die des Frührentners identifiziert worden. Die gewaltige Explosion hatte dem Mann die Gliedmaßen abgerissen, seine Hände konnten in den Schuttbergen noch nicht gefunden werden.
Wie berichtet, hatte sich Günther H. in Briefen an die Polizei, an Medien sowie die Sparkasse Höxter zu der Tat bekannt (»Schuld hat aber mein Bruder«) und sie als »Bestrafung für die Ungerechtigkeit« bezeichnet, »die ich erlitten habe«. Die Polizei geht seit gestern davon aus, dass der Mann, wie in seinem Brief behauptet, nicht nur die Gasleitung geöffnet, sondern erhebliche Mengen Benzins ausgeschüttet hatte. »Beamte des Landeskriminalamtes haben deformiertes Blech gefunden, das von Metallkanistern stammen könnte«, sagte Polizeisprecher Peter Schneider. Der Täter hatte in seinem Brief von 900 Liter Brandbeschleuniger geschrieben.
Derzeit werden noch sechs Menschen im Krankenhaus Höxter behandelt. Sie waren von umherfliegenden Glasscheiben schwer verletzt worden.

Artikel vom 22.09.2005