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Nur Gewissheit schenkt Freude und Glück

Bernd Kollmetz ist evangelischer Pfarrer der Johanniter Ordenshäuser in Bad Oeynhausen.

Die letzten Tage haben in unserem Gemeinwesen nicht nur Ernüchterung zur Folge, sondern zugleich Enttäuschung ausgelöst. Aber vielleicht ist dies gar nicht so verkehrt. Denn im Wort Enttäuschung wird ja ausgesprochen, dass die Täuschung als solche erkannt worden ist. Und wer will bezweifeln, dass diese Erfahrung notwendig ist, um seine Gedanken neu zu ordnen?
Nur das eröffnet doch die Möglichkeit, die verlorengegangene Bodenhaftung wiederzugewinnen. Letztlich geht es um die rechte Wahrnehmung von Wirklichkeit, so, wie die Dinge nun einmal sind.
Professor Robert Spaemann merkt dazu an: »Wir wollen Realität, keinen illusionären Überschwang, sondern ein Glück, das auf Kontakt mit der Wirklichkeit beruht.« Welch ein Gedanke! Seine Bedeutung aber scheinen wir uns erst wieder aneignen zu müssen.
Glück und Wirklichkeit gehören zusammen. Wenn wir der Wirklichkeit ausweichen, betrügen wir uns nur selbst um unser Glück. Realität und Wirklichkeitssinn haben etwas zu tun mit Nüchternheit. Sie wollen uns nicht am Lebensglück hindern, sondern den Blick dafür öffnen. Oder, um es biblisch auszudrücken: Wir sind Kinder des Lichtes und des Tages. Lasst uns wachen und nüchtern sein.
Es geht um die Bereitschaft, dem Leben mit großer Aufmerksamkeit, mit offenen Augen und Ohren auf der Spur zu bleiben, um die verborgenen Lebensfreuden und damit die Perspektiven für das Leben und die persönliche Lebensgestaltung (neu) zu entdecken.
Übrigens: Es reicht nicht, durch Worte Optimismus zu verordnen, sondern er braucht eine Quelle. Diese Quelle ist der Glaube, der darauf vertraut, dass das eigene Leben gelingen wird. Und diese Gewissheit schenkt Freude und Glück. Bernd Kollmetz

Artikel vom 24.09.2005