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Verliebtsein hilft immer

Französische Tragikkomödie des Kleinen Theaters

Von Christina Ritzau
Bielefeld (cr). Eine Provinzstadt irgendwo in Frankreich. Ein Bahnhof. Drei Reisende auf der Suche nach Glück, der großen Liebe, nach Zufriedenheit. Eine junge Frau, die hin- und hergerissen ist zwischen ihrem Vater und einem fremden jungen Mann.

Im Jahr 2001 feierte die französische Tragikkomödie »Comédie sur un quai de gare« (Komödie auf einem Bahnsteig) in Paris Premiere. Die Komödie von Samuel Benchetrit, die gleichzeitig einen ernsten Hintergrund aufweist, wurde in Frankreich zur Sensation.
Auch der Leiter des Kleinen Theaters Bielefeld, Wolfgang von Heygendorff, war fasziniert von dem tiefgründigen und temporeichen Stück. Als er schließlich auf Kerstin Fasse und Jens Blome zwei Menschen fand, denen die beiden Hauptrollen der Komödie wie auf den Leib geschneidert waren, stand sein Entschluss, das Bühnenwerk mit dem Kleinen Theater Bielefeld aufzuführen, fest. Am Samstag fand in der Ravensberger Spinnerei die deutsche Erstaufführung des Stückes statt. Ein halbes Jahr lang wurde zwei Mal in der Woche für das Theaterstück, das den schlichten Titel »Nach Paris!« trägt, geprobt. Für die Amateurschauspieler als Hauptdarsteller sei das eine echte Herausforderung gewesen, betont von Heygendorff. Doch er weiß auch »begabte Amateure wachsen unter der Hand eines Profis«.
Der Profi selbst übernimmt in der Komödie die Rolle des Vaters Charles. Dieser gibt sich mal stur und unwirsch, dann wieder erfrischend direkt, offen und schlagfertig. Zu seiner Tochter Michelle hat der alte Mann von jeher eine ganz besondere Beziehung. Die beiden tun alles füreinander. Sie lieben sich einfach. »Das genügt« als Begründung, findet Michelle. Vincent, der fremde junge Mann, der auf dem Bahnsteig erst die Bekanntschaft des Vaters und später auch die der Mademoiselle Michelle macht, kann das nicht ganz nachvollziehen. Er findet die Mademoiselle sehr anziehend, möchte sie mit nach Paris nehmen, dort sein Bistro mit ihr eröffnen und sein Leben mit ihr teilen. Michelle jedoch ist verwirrt. Sie weiß nicht ob die Liebe zu ihrem Vater stärker ist, oder die zu Vincent, die sich im Laufe des Theaterstücks entwickelt. Immer dann, wenn die Charaktere gar nicht mehr weiterwissen, wird eine weibliche Lautsprecherstimme hörbar, die ihnen Tipps und Ratschläge gibt und ihnen ihre jeweilige Situation bewusst macht.
Die Komödie endet mit ehrlichen, offenen Worten und dem heldenhaften Verzicht des alten Vaters auf seine über alles geliebte Tochter. Anstatt den Versuch zu machen, sie zu halten und an sich zu binden, ermutigt er Michelle, Vincent nach Paris zu begleiten und ein neues Leben zu beginnen.
»Tja, und nun?« Nun sitzt der Vater ganz allein auf dem Bahnsteig. Der Zug ist abgefahren. Die Angst vor dem Neuanfang ist deutlich spürbar, weicht aber schließlich der Neugier auf eine unbekannt, aufregende Zeit.
»Man möchte man liebsten lachen den weinen zugleich.« Damit fasst von Heygendorff die Reaktion des Publikums sehr treffend in Worte.
Wer sich "Nach Paris!" auf keinen Fall entgehen lassen möchte, der kann in der Tourist-Information im Neuen Rathaus Karten für die Vorstellungen am 24. 9., 1. 10., 15. 10., 4. 11., 19. 11., 26. 11., 3. 12., 10.12. und 17. 12. erwerben. Das Theaterstück wird jeweils um 19.30 Uhr im Murnau-Saal der Ravensberger Spinnerei aufgeführt.

Artikel vom 21.09.2005