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Computer lindern
Sprachdefizite

Kinderhilfswerk kritisiert die Lehrer

Von Dietmar Kemper
Berlin (WB). Das Deutsche Kinderhilfswerk bemängelt bei vielen Lehrern eine »kulturpessimistische Haltung zum Computer«. Der notwendige Umgang junger Menschen mit den neuen Medien werde unzureichend gefördert, sagte Dirk Hoeschen vom Kinderhilfswerk in Berlin gestern dieser Zeitung.
Das Kinderhilfswerk fordert den stärkeren Einsatz von Computern bei Bildung und Erziehung.

Nur 21 Prozent der Schüler in Deutschland nutzten nach eigenen Angaben regelmäßig den Computer in den Klassen, in Ungarn seien es dagegen 77 Prozent. Deutschland liege deutlich unter dem internationalen Durchschnitt von 39 Prozent. »Vor allem ältere Lehrer wollen ihre Kompetenz nicht an einen Kasten abgeben und glauben, nur im Buch finde sich die Wahrheit«, kritisierte Medienreferent Hoeschen. Diese Einstellung könne sich als Bumerang erweisen: »Wenn wir nicht endlich beginnen, die praktischen Eigenschaften von Computern in der Erziehung zu nutzen, droht Deutschland zu einem Entwicklungsland zu werden.«
Es sei kurios, dass die Schulen relativ gut mit Computern ausgestattet seien, die Möglichkeiten für den Unterricht und die individuelle Förderung aber nicht ausgeschöpft würden. Was für die Schulen gelte, zeige sich auch in den Kindergärten. Sie seien »computerfreie Zonen«, bedauert Hoeschen. Dabei gebe es bewährte Lernsoftware wie das von Microsoft geförderte Programm »Schlaumäuse«. Mit ihm eignen sich Jungen und Mädchen auf spielerische Art durch Experimentieren auf einem Touchscreen die deutsche Sprache an. Hoeschen kann nicht verstehen, dass manche Erzieherin nichts dagegen habe, wenn sich ein Kind mit einem Buch zurückziehe, aber »Zeter und Mordio schreit, wenn sich das Kind in ein Lernprogramm am Computer vertieft«.
Wenn zum Beispiel im Berliner Stadtteil Neukölln 70 Prozent der Jungen und Mädchen mit erhöhtem Sprachförderbedarf in die Grundschulen kommen, müssten alle Möglichkeiten in den Kindertagesstätten genutzt werden, um frühzeitig gegenzusteuern. Egal ob Kindergarten oder Schule: Gute Edutainment- und Lernsoftware biete »optimale Voraussetzungen für ein Lernen ohne Frust und Zwang«, meint Dirk Hoeschen und begründet das so: »Kein Erwachsener kann so viel Zeit und Geduld aufbringen wie ein Computer. Kein Buch ist so flexibel, dass es sich den individuellen Bedürfnissen und Lernfortschritten von Kindern anpasst.« Der klassische Frontalunterricht in den Schulen werde dem gestiegenen Förderbedarf der Heranwachsenden nicht mehr gerecht.

Artikel vom 21.09.2005