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Starke Typen braucht das Land. Gerade ein Jahr vor der WM im selbsternannten Fußball-Mutterland. Denn gesegnet sind wir mit denen weder auf noch neben dem Platz, wo es halt manchmal auch entscheidend ist. Bitter, dass jetzt einer der wenigen, die wir haben, gewaltig schwächelt oder der, der noch nie 'ne Type war, nicht endlich in Funktionärsrente geht.

Alternder Macho

In einer Frauen-Zeitschrift hat der Schalke-Manager gesagt, er wisse gar nicht genau, was ein Macho sei. Dennoch zelebriert keiner diese veraltete Form des Mannseins so gerne wie Rudi Assauer. Stets eine brennende Havanna zwischen Fingern oder Lippen, über die gerne knorrig-schnoddrige Kommentare ungefiltert die Umwelt - je nach Sichtweise - verpesten oder erleuchten. Auch in der Werbung gibt er gerne den harten Hund. Und dass noch Testosteron durch seine Adern fließt, nimmt man ihm auch ab - Simone Thomalla sei Dank.
Warum jetzt die ganze Aufregung über den Wontorra-Aussetzer? Dass Rudi gerne mal ein oder zwei oder  . . . Pils trinkt, weiß jeder und ist nicht nur bei Pressekonferenzen live zu beobachten. Deshalb ist er ja auch die glaubwürdige Gallionsfigur eines Bierbrauers. Einerseits ließ Assauer jetzt »Wonti« öffentlich von seinem TV-Sender abwatschen, andererseits klingt aus Schalke nebulöse Kunde über eine Krankheit und angebotene Hilfe für das selbsternannte Schalke-Denkmal. So gesehen erfüllt der 61-Jährige noch weitere wichtige Macho-Kriterien: Er hält sich für ewig jung und ein Geschenk an die Welt.
Die Wahrung dieses schönen Scheins lassen ihm die Schalke-Entscheider -ĂŠauch wenn mit Andreas Müller und Peter Peters schon längst zwei jüngere Männer Assauers Job faktisch erfüllen. Vielleicht hat das ja das Assauer-Fass zum Überlaufen gebracht: Intern auf dem Weg zum Gruß-Onkel (auch wenn Rudi das dementiert, wird er als Nachfolger von S04-Präsident Gerhard Rehberg gehandelt) und dann noch öffentlich vorgeführt - das ist für den letzten selbsternannten und alternden Macho des »Männersports« nun wahrlich inakzeptabel.

Schein-König

Der ungekrönte König des schönen Scheins bleibt aber der DFB-Präsident 1A. Gerhard Mayer-Vorfelder, Ex-Finanz- und Kultusminister in Baden-Württemberg, Ex-Stuttgart-Präsident (der den Verein mit Millionen-Schulden hinterließ), Ex-Angeklagter in Sachen Steuerhinterziehung, aber eben nicht Ex-Funktionär. Dem 72-Jährigen reicht es, 2006 den Gruß-Onkel zu spielen und bei der WM wichtig, wichtig zu sein. Und der in Affärenbewältigung Erprobte kämpft darum, dass nicht noch mehr Kratzer sein geschädigtes öffentliches Bild ramponieren.
Dass MV vor Gericht »Recht« bekommen hat im Prozess gegen eine Satire auf SWR3, in der auf eine Promille-Problematik bei Deutschlands oberstem Fußballer angespielt wurde, ist eine der größten Lachnummern der Justiz-Geschichte. Warum der Autor dieser Zeilen das so sieht, können Sie alle Journalisten fragen, die den Delegationsleiter während der EM 1996 in England bei einem Empfang von Mercedes erlebt haben.
Man sollte dem Oberleutnant der Reserve ein »Weggetreten« entgegen brüllen. Das wäre ein echter Dienst am Vaterland. Denn MV auf der Tribüne und die Klinsmann-Buben auf dem Platz - dass das ein gutes Bild abgeben wird, glaubt doch nun wirklich keiner mehr. Oder? Oliver Kreth

Artikel vom 24.09.2005