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Jahrelang nur der zweite Mann - und dann die erste Wahl. Auf der Bank ist das ein kleiner Ruck. Ein Platz weiter nach vorn. Aber wenn sie dann da sitzen, die ehemaligen Assistenten, dann spüren sie schnell, wie groß der Unterschied ist: Chef-Trainer schlafen schlechter.

Henke unter Druck

Michael Henke hat das wie kein anderer Fußball-Lehrer beobachten können. Von 1991 bis 2004 hockte er neben Ottmar Hitzfeld. Zuerst in Dortmund, dann in München. Sein Boss stand immer unter Dampf, war immer unter Druck. Borussia und Bayern forderten Titel. Jahr für Jahr
Henke sah, wie Hitzfeld litt. Wie der ständige Erfolgs-Stress Spuren in sein Gesicht zeichnete. Wie er am Morgen nach dem Spiel oft unausgeschlafen aussah - vor allem nach Niederlagen. Der Assistent war dann der ruhende und ausgeruhte Pol. Er übernahm die nächste Übungseinheit. Aber natürlich nie die Verantwortung.
Das ist jetzt anders. Ganz anders. Henke wagte den Sprung. Endlich mal der Chef sein. Obwohl er wusste, was das bedeutet. Kaiserslautern heißt seine Aufgabe, diese Mannschaft muss er über den Betzenberg bringen. Der Klassenerhalt ist das Ziel. »Klasse« hat seine Mannschaft in den letzten Spielen aber nicht mehr gezeigt. 1:5, 0:0, 0:2, 0:1 und 0:3. Das sind Ergebnisse, die einem Trainer die Nachtruhe rauben können. Inzwischen weiß auch Henke: Assistenten schlafen besser.

Skibbe wieder da

Hellwach will Michael Skibbe den Dienst in Leverkusen antreten. An diesem Samstag beginnt seine zweite Bundesliga-Bewährung im Stadion am Mainzer Bruchweg. Bei Borussia Dortmund saß der Fußball-Lehrer vom Sommer 1998 bis zum Februar 2000 auf der Bank, danach spielte er vier Jahre den zweiten Mann neben dem Teamchef der Fußball-Nationalmannschaft.
Wie Personal-Geschichten sich wiederholen: Jetzt ist Rudi Völler erneut sein Vorgesetzter. Und der Sportdirektor hat angekündigt, er wollte näher an das Team heranzurücken. Zum Gedränge am Rasenrand wird es allerdings nicht kommen. Völler, froh den Interimsjob wieder los zu sein, verfolgt auf der Tribüne, welche Wechsel-Wirkung vom neuen Mann ausgehen wird.
Skibbe muss klar sein: Er steht unter besonderer Beobachtung. Und er ist in Leverkusen nur dritte Wahl. Sie wollten Matthias Sammer, sie verhandelten mit Morten Olsen. Jetzt verpflichteten sie einen, der die meiste Zeit im professionellen Kicker-Geschäft nur als Assistent gearbeitet hat.

Vier Chefs warten

Aber es ist ja auch nicht so einfach, in schweren Zeiten den richtigen »Chef« zu finden. Der Trainer-Tausch in der laufenden Saison, das war schon immer ein Risiko. Langjährige Liga-Untersuchungen belegen eindeutig: Die Tendenz ist eher negativ. Viele »Neue« sahen schnell alt aus.
Vier namhafte deutsche Fußball-Lehrer mit Oberhaus-Erfahrung sind zurzeit arbeitslos, ein Quartett im Wartestand. Matthias Sammer, Klaus Toppmöller, Peter Neururer und der in Leverkusen entlassene Klaus Augenthaler, sie wären zu haben - wenn der richtige Verein anruft.
Ein Coach, der bei Hertha lange Jahre erstklassige Arbeit ablieferte, er wollte nicht mehr länger vor dem Telefon sitzen. Auf Wiedersehen, Bundesliga! Jürgen Röber trainiert jetzt Partizan Belgrad.
Klaus Lükewille

Artikel vom 15.10.2005