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Testen, testen, testen. Wer sind die Besten? Bundestrainer Jürgen Klinsmann und sein Personal-Plan: Ab sofort soll sich die Mannschaft für die Weltmeisterschaft 2006 einspielen. Guter Vorsatz, schlechte Aussichten. Denn immer wieder wird es Absagen und Ausfälle geben, die Experimentier-Phase geht also weiter. Wahrscheinlich bis zum WM-Anstoß im Juni.

Torwart-Theater

Spätestens dann muss auch klar sein, wer für Deutschland zwischen den Pfosten steht. Andreas Köpke, der Bundestorwart-Trainer, er ließ vor ein paar Tagen die Kugel rollen: »Passt auf: Wir machen das wie beim Roulette. Einer kriegt Rot, der andere Schwarz. Und dann wird gedreht.« Das sollte natürlich ein Witz sein, die betroffenen Kandidaten fanden den Spruch wenig spaßig. Jens Lehmann nicht - und sein Rivale Oliver Kahn schon gar nicht.
Der Münchner »rotiert« sofort, wenn er das Wort Rotation hört. Aber nicht freiwillig, sondern da dreht er sich wie ein Brummkreisel. Vor Wut. Kahn will in den Kahn. Immer. Basta. Er hält sich für die Nummer 1. Doch das Trikot mit dieser Ziffer wird weiter gewechselt. Zwei Einsätze Lehmann, zwei Einsätze Kahn.
Der ist jetzt wieder dran und drin. In Istanbul und Hamburg. Gegen die Türken und Chinesen. Dann dreht Klinsmann erneut am Keeper-Karussell. Der Nächste, bitte. Herr Lehmann, übernehmen Sie. Das Torwart-Theater des Bundestrainers: Ende offen.

Abwehr-Aktionen

Vor dem Schlussmann sollte möglichst schnell eine eingespielte Abwehr stehen. Aber dieses Ziel kann sich Klinsmann abschminken. Das wird vorerst nichts, das könnte sogar bei der WM daneben gehen. Schießbude Deutschland: Die kassierten zuletzt aber auch gegen jeden Gegner ein, zwei Dinger. Und manchmal sogar drei.
Die Tage der offenen Tore, wann sind die endlich vorbei? Christoph Metzelder, der Rückkehrer, wird das auch kaum sofort ändern können. Der Dortmunder, ein Abwehrspezialist, aber gleichzeitig ein Fußball-Realist: Er weiß, dass er noch längst nicht wieder seine Form des Jahres 2002 erreicht hat.
Trotzdem musste Klinsmann ihn jetzt schon zurück holen. Denn das Format eines Robert Huth oder eines Lukas Sinkiewicz hat Metzelder allemal. Dass dafür ein anderer Dortmunder nicht eingeladen wurde, könnte System sein. Der Bundestrainer schätzt die Routiniers offensichtlich nicht so sehr. Dietmar Hamann wurde bereits ausgemustert, Christian Wörns scheint ebenfalls keine guten Karten mehr zu haben.

Angriffs-Angebot

Eine ungelöste Torwart-Frage, Unsicherheiten in der Abwehr, dafür Konkurrenz-Gedränge im ganz ordentlich besetzten Mittelfeld und zu wenig »Spitzen« im Angriff: So sieht es neun Monate vor der WM aus. In der Türkei muss Klinsmann auf den grippekranken Michael Ballack verzichten. Stellvertreter gibt's genug, aber keiner von ihnen hat das richtige »Kapitäns-Patent.«
Das Angebot im Sturm könnte auch besser sein. Wenn schon Oliver Neuville wieder nominiert wird, sagt das alles. Aber wen hat er denn, der Bundestrainer? Wo sind die Alternativen? Hier reicht ein betrüblicher Blick in die aktuelle Liga-Torjägerliste. Miroslav Klose, sieben Treffer, liegt vorn. Und dann folgen zehn Angreifer mit einem ausländischen Pass.
Klaus Lükewille

Artikel vom 08.10.2005