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»Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten.« So hieß 1965 eine Kino-Klamotte mit Gert Fröbe in der Hauptrolle. In leichter Abwandlung des Titels könnte ein Fußball-Film heute heißen: »Die alten Männer fliegen durch ihren Kasten.« Das wäre kein Schinken von gestern, sondern ein aktueller Streifen.

Routiniers im Tor

Aufnahmen konnten am 11. Bundesliga-Spieltag gemacht werden. Zwei schon etwas betagtere Herren kehrten an ihren Arbeitsplatz zurück. Die Gründe waren unterschiedlich, die Personal-Entscheidung der Trainer aber einheitlich. Sie setzten nicht auf junge Talente, sie stellten lieber Routiniers zwischen die Pfosten.
Schauplatz Kaiserslautern. Da wurde das Tor immer mehr zur Schießbude. Trainer Michael Henke, der im Sommer bei seinem Amtsantritt Jürgen Macho zur neuen Nummer 1 nominierte und Thomas Ernst degradierte, er wechselte. Macho raus, Ernst wieder rein. Der ist mit seinen 37 Jahren der absolute Oldtimer im Oberhaus, zeigte aber gleich, dass er noch lange nicht zum alten Eisen zählt. Er bleibt vorerst drin.
Schauplatz Stuttgart. Stammtorwart Timo Hildebrand fieberte. Und was machte Trainer Giovanni Trapattoni? Er schickte Dirk Heinen (35) in den Kasten. Der sitzt zwar schon seit zwei Jahren brav auf der VfB-Bank, kann aber immerhin Liga-Erfahrung in Leverkusen und Frankfurt vorweisen. Allerdings: Bei seiner Rückkehr patzte Heinen gegen Hertha BSC, bekam im »Kicker« nur die Note 5. Und wenn Hildebrand wieder gesund sein wird, ist er natürlich sofort wieder draußen.

Platzhirsche im Tor


Aber viele andere routinierte Torhüter, die schon einige Oberhaus-Serien auf dem Buckel haben, die denken gar nicht daran, ihr Gehäuse freiwillig zu räumen. Für Oliver Kahn (36) ist das beim FC Bayern München sowieso kein Thema. Schon schlimm genug, dass er sich in der Nationalelf die Einsätze teilen muss. Die laut Bundestrainer Jürgen Klinsmann angeblich so leistungsfördernde Rotation mit dem »Kollegen« Jens Lehmann, auch schon 35, passt Kahn natürlich überhaupt nicht.
Denn Torwarte waren in diesem Mannschaftssport schon immer Einzelkämpfer. Oft Egomanen, auf jeden Fall aber Platzhirsche. Fragt nach bei Sepp Maier, Toni Schumacher oder Uli Stein. Für die zählte nur eine Nummer. Die 1.

Talente im Tor


Die trägt in Bremer weiter Andreas Reinke. Dabei wollten sie an der Weser zu Saisonbeginn eigentlich den Generations-Wechsel vollziehen. Reinke (36) sollte für Tim Wiese (24) Platz machen. Doch der »Neue« hatte Pech. Er zog sich noch in der Vorbereitungsphase seinen zweiten Kreuzbandriss zu. Reinke bleibt vorerst erste Werder-Wahl - trotz der Patzer gegen Udinese Calcio.
Denn viele Trainer setzen auf Routine. Trau keinem unter 30. Gerade mal sechs Torhüter mit Stammplatz-Garantie fallen unter diese Altersgrenze. Der Hannoveraner Robert Enke (28), der Hamburger Stefan Wächter (27), der Stuttgarter Timo Hildebrand (26), der Nürnberger Raphael Schäfer (26), der Kölner Stefan Wessels (26) und der Dortmunder Roman Weidenfeller (25). Männer von morgen. Dafür fliegt im Unterhaus beim Spitzenreiter VfL Bochum weiter ein »Oldie« von gestern durch seinen Kasten. Rein van Duijnhoven ist schon 38 - und soll seinen Vertrag verlängern.
Klaus Lükewille

Artikel vom 05.11.2005