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Einmal auf und ab
durchs Wunderland

Atze Schröder feilt bei Previews am Programm-Profil

Von Uta Jostwerner (Text)
und Carsten Borgmeier (Foto)
Bielefeld (WB). Früher schwärmte die Jugend für Bata Illic, »die singende Buckelpiste«. Heute ist Paris Hilton, dieses »farblose Albino-Baby«, das stets mit »halbem Hähnchen in der Tasche« herumläuft, den Teens ein Vorbild, wundert sich Atze Schröder. Was dem Comedy-Star sonst noch an Wunderlichem in Staat, Gesellschaft und vor allem im zwischenmenschlichen Bereich begegnet, das präsentiert Deutschlands Lieblings-Macho in seinem neuen Programm Wunderland.

Zwei Auftritte im intimen Kreis des Szene-Treffs Haarmonie gehören zum Warm-up von ingesamt gut 30 Previews, ehe der smarte Ruhrpott-Proll die großen Tourneebühnen betritt. Wird im Text- und Ideenteam, zu dem neben einem FAZ-Redakteur und eine WDR-Redakteurin auch ein Porsche-Fahrer gehört, noch penibel an Programm und Pointen gefeilt, vertraut das Publikum blind auf Atzes bewährten Draufgänger-Charme.
Spitze Kreischer und deftige Lacher begleiten dann auch die wortgewaltigen Wellen, mit denen Schröder sein Publikum zwei mal 45 Minuten ohne Unterlass überschwemmt. Wie selbstverständlich platziert er einen handgeschriebenen Spickzettel als Merkhilfe auf dem Bühnenrand und reflektiert im Laufe des Abends laut, welcher Gag ankommt und welcher noch nicht richtig zieht.
Typisch Atze eben, gehören Coolness und grenzenloses Selbstvertrauen ohnehin zu seinen Markenzeichen, ganz zu schweigen vom 80er-Jahre-Outfit mit Lockenkopf, Pilotenbrille, Röhrenjeans und Che Guevara-Shirt. So stolziert Atze munter durchs heimatliche Wunderland und teilt aus. Seine Themen -ÊFußball, Kirche, Familie, Recht und Ordnung - bewegen die Nation. Beckenbauer, der »Schäferhund unter den deutschen Fußballern«, bekommt ebenso sein Fett weg wie DFB-Präsident Mayer-Vorfelder fürs »nach oben saufen«. Atze wundert sich über den neuen Papst, der als erstes Köln, der »europäische Schwulenhauptstadt« einen Besuch abstattete, transformiert die Zehn Gebote ins 21. Jahrhundert, frötzelt über Versicherungen und entdeckt die Tugenden der Deutschen: »Wir sind nett. Wenn wir Sprit brauchen, fahren wir zur Tankstelle und überfallen nicht gleich ein ganzes Land.«
Bevor sich Atze in den obligatorischen Schlüpfrigkeiten und heimlichen Familienidyll-Träumen ergeht, streift er noch ein persönliches Thema: Die 40 blinkt - am 27. September ist es so weit -, was den ewigen Eroberer erstmals an sich selbst zweifeln und wehmüig zurückblicken lässt: »Früher habe ich den Kühen in Holland in drei Tagen das Gras weggeraucht. Heute gehe ich zum Italiener und bestelle ein Menü.« Die Zeiten ändern sich.
Nur eines bleibt gewiss: »Wunder gibt es immer wieder« -Êund mit dieser Zuversicht entlässt Azte Schröder nach eineinhalb Stunden dichter Komik und Klamauk ein vor Begeisterung grölendes Publikum in die Nacht.

Artikel vom 21.09.2005