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Ohrbooten
Sensible ostwestfälische Ohren sollten erst einmal vorsichtig testhören, bevor sie die Boxen richtig aufdrehen: Denn die »Ohrbooten« machen aus ihrer Berliner Heimat kein Geheimnis. Sicherlich gewöhnungsbedürftig für hochdeutschverwöhnte Ohren: Die Vier bringen den Hauptstadt-Slang völlig skrupellos zu Gehör. Trotz - oder gerade deshalb - ist »Spieltrieb« fast rundum zu empfehlen. Reggae-Ska-Punk-Pop-Musik mit witzigen bis bösen Texten haben die »Ohrbooten« 13-fach für ihr Album zusammengestellt. Von Anfang an macht es Spaß, den Jungs zuzuhören. Auch wenn sie den unwissenden Hörer direkt ins Slang-Messer laufen lassen: Würde der Opener »Ich glaube« so heißen, wie sie's auch singen, müssten sie den Song eigentlich »Ick jlobe« nennen. Die Dialekt-Nummer halten die »Ohrbooten« glücklicherweise nicht von der ersten bis zur letzten Sekunde durch - obwohl es sich auf Berlinerisch viel besser reimen lässt. Und darin könnten es die »Ohrbooten« durchaus noch zur Meisterschaft bringen. Die Ich-habe-eine-Wäscheklammer-Stimme des Sängers Ben wird rundum passend garniert - mit viel Reggae, Gitarre und teilweise sehr witziger Geräuschkulisse - etwa beim Stück »Maschine«. Sparsamer instrumentiert ist lediglich die ruhigere Nummer »Taub«. Ebenso hörenswert: die Single-Auskopplung »An alle Ladies«, »Und Tschüss« und »Politix«, bei dem die »Ohrbooten« noch einmal so richtig Gas geben. Etwas anstrengend ist lediglich »Müde Krieger«, das tatsächlich die ersten Minütchen zum Einschlafen motiviert, dann aber noch einmal so richtig loslegt.

The Rasmus
Mit dem Tourstress noch in den Knochen haben »The Rasmus« sich erneut ans Songschreiben gemacht. Die Finnen, die mit ihrem Hit »In The Shadows« ein Ausrufezeichen gesetzt haben, dürften vielen Fans mit dem neuen Werk »Hide From The Sun« die Ratlosigkeit ins Gesicht zaubern. Denn die elf Tracks können nur halbwegs zur Qualität und vor allem Kreativität des Vorgängerwerks aufschließen. Im einzelnen sicherlich nett anzuhörende Rocknummern, werden die Stücke schnell zum rockigen Einheitsbrei. Da können es »The Rasmus« bei »Last Generation« noch so krachen lassen, bei »Immortal« noch so sehr aufs Gaspedal drücken. Poppige Nummern wie »Don't Let Go«, in das sich sogar ein schüchternes Piano verirrt hat, und »Sail Away« sind handwerklich solide, aber irgendwie seelenlos. Die vier Finnen sollten schnell aufhören, sich vor der Sonne zu verstecken. Etwas mehr Farbe würde ihren Stücken gut tun. Stefanie Hennigs

Artikel vom 22.09.2005