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Eine Lanze für Verfemtes und Unterschätztes

Saisonauftakt mit Seelenlandschaften

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Mit Musik als in Klang gesetzte Seelenlandschaften sind die Bielefelder Philharmoniker in die Saison gestartet. Unter der umsichtigen Leitung von Generalmusikdirektor Peter Kuhn durchmaß das städtische Orchester mit traumwandlerischer Sicherheit und musikalischer Präzision beim ersten Freitags- beziehungsweise Sonntagskonzert in der gut besuchten Oetkerhalle die Tiefen und Weiten romantischer und postromantischer Tonkunst.

Seele offenbarte sich im Werkekanon von Franz Liszt, (Les Préludes, Sinfonische Dichtungen Nr. 3), Ernst von Dohnányi (Concertino für Harfe und Kammerorchester op. 45) sowie Sergej Rachmaninow (Sinfonie Nr. 2) zwar in ganz unterschiedlichen Farbschattierungen, Konturen und Charakteren. Als verbindende Klammer kann jedoch angeführt werden, dass sämtliche Tonsetzer des Abends bereits als Pianisten in Erscheinung getreten waren, ehe sie auch als Komponisten von sich reden machten.
Erst von den Nazis als akustisches Signal für Kriegs-Sondermeldungen missbraucht, dann lange Zeit als Repertoirestück für den Konzertsaal verfemt. Dabei hat Liszts Sinfonische Dichtung weit mehr zu bieten als die wenigen blechknatternden Takte des hymnusartigen »Maestoso«. Peter Kuhn brach hier wie auch bei den anderen, nur selten gespielten Werken gewissermaßen eine Lanze für das Unbekannte, Unterdrückte und Unterschätzte.
In nun schon bewährter deutscher Sitzordnung (mit gegenüber aufgestellten ersten und zweiten Geigen) ging's gemessen durch das Auf und Ab lisztscher Gemütsfelder. Von der spannungsvollen Pizzicato-Einleitung über stürmisch schwelgende Streicherbögen, lyrisch pastorale Bläserpassagen bis hin zum mit Verve aufgefächerten Finale -Ê das Orchester intonierte gefühlvoll und klangsinnlich, mied indes gekonnt übertriebenen Heroismus ebenso wie triefende Süßlichkeit.
Eine Entdeckung wert ist Dohnányis spätes Instrumentalkonzert aus dem Jahre 1952 allemal. Es überrascht durch seinen postbrahmschen Impetus auf der einen Seite und schmeichelt andererseits durch den meisterhaft miteinander verwobenen Part von kleinem Begleitorchester und Solo-Harfe. Alles in allem kunstvoll gesetzte Musik zum Träumen, die im Freitagskonzert sowohl mit kammermusikalischem Atem als auch schwebend und leichtfüßig daher kam. Sylvia Hansen, Soloharfenistin der Bielefelder Philharmoniker, schmückte ihren anspruchsvollen Part mit schmeichelnder Arpeggien- sowie pointierter Zupftechnik.
Krönender Abschluss mit Rachmaninows Zweiter. Frisch aus der Sommerpause zurück, fächerten die Philharmoniker die weitschweifige Anlage mit nicht nachlassender Spannung im Detail auf. So konnte sich Peter Kuhns formal-analytisch aufbereitete Partiturdurchdringung in einem wogenden Meer natürlich strömender Melodien entfalten.

Artikel vom 20.09.2005