22.10.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Marienbrunnen sprudelt frisch

Neue Zukunft für traditionsreiches Borgholzhausener Mineralwasser

Von Stefan Küppers
Borgholzhausen (WB). »Marienbrunnen« in Borgholzhausen sprudelt wieder. Mit neuen Inhabern und einer radikalen Rückbesinnung auf Kernkompetenz und Kerngeschäft hat der regionale Mineralwasserbetrieb wieder eine hoffnungsvolle Zukunftsperspektive.

Dabei ist es gerade mal 15 Monate her, dass die fast 100 Jahre alte Mineralquelle im Ravensberger Land wirtschaftlich zu versiegen drohte. In der Zwischenzeit gab es eine erstaunliche Geschichte mit einem Insolvenzverfahren, das zwei »Macher« mit einer optimistischen »Denke«, ein Rechtsanwalt und ein Kaufmann, sehr erfolgreich gestaltet haben.
Das erfolgreiche Duo heißt Frank M. Welsch, Rechtsanwalt aus Gütersloh, sowie Leonhard Hansmann, Kaufmann und vormals freier Mitarbeiter in Welschs Kanzlei, der nunmehr als Geschäftsführer der Marien Brunnen Erfrischungsgetränke GmbH fungiert. Als der vormalige Geschäftsführer im Juli 2004 »aufgrund gravierender Managementfehler« -ÊWelsch und Hansmann machen aus ihrer Negativeinschätzung dieser unternehmerischen Leistung keinen Hehl - den Insolvenzantrag stellen musste, gab es unter Getränkehändlern nicht viele, die noch auf eine Marienbrunnen-Zukunft wetten mochten.
Ganz anders Frank M. Welsch. Der Rechtsanwalt hat nicht nur bei der Insolvenz des Möbelherstellers Flötotto (Gütersloh) bewiesen, dass er ein Händchen für erfolgreiche Unternehmensfortführungen hat. Bei Marienbrunnen waren Welsch und sein Mann für alle Fälle, Leonhard Hansmann, von Beginn an optimistisch. Der einfache Grund: Marienbrunnen ist eine Marke, die in der Region bekannt ist. Es ist ein Wasser, das aufgrund der Vielfalt an Mineralien zur Spitzengruppe in Deutschland zählt und das einen unverwechselbaren Geschmack hat. Hansmann: »Geschmacklich polarisiert unser Wasser. Aber ich habe besser ein solches Merkmal als gar keines.«
Unter Beteiligung der zur Zeit 16 Mitarbeiter - für Hansmann und Welsch ist das Einbringen von deren Erfahrungen ein wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Sanierung - leitete Marienbrunnen sofort grundlegende Änderungen ein. Man trennte sich vom bisherigen Geschäftsführer, ebenso von den zuvor eingeführten sogenannten Szenegetränken und Alcopops. Zur Stützung der bekannten Marken Marienbrunnen und Ravenna wurde die Preiseinstiegsmarke Widukind eingeführt. Hinzu kamen viele Gespräche mit Getränkehändlern in der Region, von denen zum Zeitpunkt des Insolvenzantrages nur noch etwa 60 von einst 230 vorhanden waren.
Mit dem neuen Konzept, der Konzentration auf wenige Kernmarken, sowie einer Vertrauensoffensive bei den Händlern - dazu gehörte vor allem die Offenheit beim Eingestehen von Fehlern Ñ gewann das insolvente Unternehmen wieder rasch an Boden. Die Zahl der Fachhändler wurde auf bisher 130 mehr als verdoppelt, die Zahl der Flaschenfüllungen von unter sieben Millionen vor einem Jahr auf prospektiv zwölf Millionen in 2005. Zielmarke sind 20 Millionen. »2006 wollen wir wieder schwarze Zahlen schreiben«, sagt Hansmann. In drei bis fünf Jahren sollen weitere Ziele erreicht sein, so dass aus einer gesicherteren Position auch in modene Gebinde wie PET-Flaschen groß investiert werden kann.
Der klare Kurs und der gute Ruf von Welsch und Hansmann rief von Anbeginn des Insolvenzverfahrens einige interessierte Investoren auf den Plan. Von denen sprangen über die Monate wieder einige ab, weil Marienbrunnen kein unterpreisiges Schnäppchen werden sollte. Am Ende wurde mit der privaten Beteiligungsgesellschaft Linnenbank GmbH - dahinter verbirgt sich der äußerst erfolgreiche Kartoffelhändler Wilhelm Linnenbank aus Beelen bei Harsewinkel Ñ ein potenter Investor gefunden und gebunden. Auch die Volksbank Halle als Hauptgläubiger trug ihr Scherflein zum Gelingen bei. Da der neue Marienbrunnen-Kurs eng mit der Person von Leonhard Hansmann war dessen Einstieg als Mitgesellschafter über die BMG GmbH (Detmold) eine Bedingung von Linnenbank.
In ihrem Bestreben, die verbleibende Substanz in einem insolventen Unternehmen zu retten statt zu beerdigen, sind Welsch und Hansmann Brüder im Geiste. Ihre hohe Erfolgsquote hat sich auch bei den Gerichten herumgesprochen, die schließlich den Insolvenzverwalter auswählen müssen. Welsch, der neben Jura auch Volkswirtschaft studiert und in Ökonomie promoviert hat, kommt aus einer Gütersloher Unternehmerfamilie (Baustoffhandlung Zierenberg). Sein Credo: Es gibt bei einer Insolvenz oft bessere Werte für die Gläubiger, wenn man nicht zerstören muss. Und dass unternehmerisches Handeln in Bezug auf die Mitarbeiter auch immer eine starke soziale Komponente hat, das habe, so Welsch, ihm schon sein alter Herr beigebracht. Dass ein Insolvenzverwalter bei erfolgreicher Fortführung auch gut verdienen kann, ist eine zusätzliche unternehmerische Motivation.
Fürs Traditionsunternehmen Marienbrunnen, 2009 wird es 100 Jahre alt, scheinen diese Überzeugungen ein Glück zu sein.

Artikel vom 22.10.2005