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Union stärkt
Merkel im
Machtpoker

Fraktion wählt Chefin mit 98,6 Prozent

Berlin (dpa). Unter dem Eindruck des erbitterten Tauziehens um die Regierungsbildung haben die neuen Bundestagsfraktionen wichtige Personalentscheidungen getroffen. Trotz des schwachen Abschneidens der Union bei der Bundestagswahl wurde Kanzlerkandidatin Angela Merkel (CDU) gestern mit einem überragenden Ergebnis als Fraktionsvorsitzende bestätigt.
Mit 98,6 Prozent wiedergewählt: Angela Merkel.

Sie erhielt 98,6 Prozent der Stimmen der neuen Unions-Fraktion (2003: 93,72 Prozent) und verschaffte sich damit die erhoffte Rückendeckung aus CDU und CSU für Koalitionsgespräche. Merkel wertete das Ergebnis als überragenden Vertrauensbeweis. Auch die SPD-Fraktion bestätigte ihren Vorsitzenden Franz Müntefering demonstrativ deutlich mit 95,2 Prozent im Amt. Die CSU-Landesgruppe wählte Michael Glos mit 88,6 Prozent erneut zum Vorsitzenden.
Außenminister Joschka Fischer steht dagegen nicht für das Amt des Grünen-Fraktionschefs zur Verfügung. Er werde auch keine anderen Ämter in Partei und Fraktion übernehmen, sagte Fischer gestern in einer Fraktionssitzung.
In der FDP ist ein Ringen um den Fraktionsvorsitz ausgebrochen. Nach Informationen aus Fraktionskreisen will der Amtsinhaber Wolfgang Gerhardt seine Position nicht freiwillig Parteichef Guido Westerwelle überlassen. Gerhardt wolle selbst entscheiden, wann und wie er den Fraktionsvorsitz abgibt, hieß es.
Völlig unklar blieb auch gestern, welche Parteien die neue Regierung bilden werden. Prominente Politiker von Union und SPD plädierten für eine große Koalition - allerdings jeweils unter Führung des eigenen Kandidaten, der CDU-Vorsitzenden Merkel beziehungsweise des Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD).
Schröder erhebt den Machtanspruch, obwohl die SPD bei der Wahl ein - wenn auch nur geringfügig - schlechteres Ergebnis als die Union bekommen hat.
Müntefering betonte: »Wir wollen keine halben Dinge wie eine Minderheitsregierung.« Eine solche Variante unter Unions-Führung hatte Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) ins Spiel gebracht. Westerwelle bezeichnete Mutmaßungen über die Bildung einer Minderheitsregierung als Spekulation.
Stoiber, Merkel und Westerwelle wollen morgen zu ihrem ersten Sondierungsgespräch zusammenkommen und möglicherweise auf Basis einer schwarz-gelben Koalitionsvereinbarung einen Partner suchen. Müntefering und Merkel wollen sich ebenfalls morgen zu einem ersten Gespräch treffen. Heute will die SPD mit den Grünen Gespräche aufnehmen.Seiten 4 und 5

Artikel vom 21.09.2005