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Merkel: Eine ganz andere erstaunliche Karriere

Rasanter Weg trotz Mauer und zahlreicher Hindernisse

Berlin (Reuters). Angela Merkels (51) erstaunlicher politischer Weg gleicht einer Schlacht an vielen Fronten. Angela Merkel: Vor ihrem ganz großen Sieg?
Um als erste Frau ins Kanzleramt einziehen zu können, muss sie zum einen mit Gerhard Schröder einen kampferprobten und ungleich populäreren Gegner bezwingen. Zum anderen sind da zähe Kräfte in den eigenen Reihen.
In nur 15 Jahren schaffte die Pfarrerstochter aus Brandenburg den Aufstieg zur Kanzlerkandidatin - ungewöhnlich schnell. Deshalb hatte die Ostdeutsche aber auch kaum Zeit für eine feste Verankerung in der Partei.
Schon einmal haben Machtwillen und Mut der promovierten Physikerin aus Templin in der Uckermark an die Spitze verholfen: Vor fünf Jahren übernahm sie die Führung der CDU, wurde damit erste Vorsitzende einer deutschen Volkspartei. Die CDU war damals in der Spendenaffäre versunken, Merkel hatte ihr als Generalsekretärin mit einer überraschend klaren Aufforderung zur Loslösung von Altkanzler Helmut Kohl eine neue Perspektive gegeben.
Die CDU musste verlorenes Vertrauen zurückgewinnen, für große Kampagnen fehlte das Geld. Frische Gesichter in der Parteiführung mussten mit altgedienten Funktionären zu einer neuen Mannschaft geformt werden. Vielen war sie zu liberal, als Geschiedene aus Ostdeutschland ohne eigene Kinder vermissten sie bei ihr den christdemokratischen Stallgeruch. Als Parteichefin lässt Merkel keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit, auf wirtschaftspolitische Umbrüche zu dringen.
Nachdem Merkel sich 1989 in der DDR-Bürgerbewegung »Demokratischer Aufbruch« erstmals politisch engagiert hatte, war es für sie schnell aufwärts gegangen. 1990 war sie als stellvertretende Sprecherin der letzten DDR-Regierung zur Führungsebene aufgerückt. Noch im selben Jahr gewann sie für die CDU in Mecklenburg-Vorpommern ein Bundestagsdirektmandat, und Kohl machte sie 1991 zur Ministerin für Frauen und Jugend. Drei Jahre später war sie Umweltministerin.
»Nach dem Generalsekretärsposten und dem CDU-Vorsitz war für sie klar, dass die Niederlage gegen Stoiber 2002 kein Schlusspunkt ist«, sagt ein Weggefährte. Auch Friedrich Merz, damals noch Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion, verwies auf Merkels Beharrlichkeit, als er zu ihrem Rückzug im Kandidaten-Zweikampf erklärte: »Angela Merkel ist alles andere als eine Verliererin am heutigen Tag.«
Merkel hätte anhand der Umfragen bereits vor der Wahl als Kanzlerin - entweder mit kleiner oder großer Koalition - gefeiert werden können. Aber genau das geschah nicht. Denn: Verpasst sie nach dem anfänglich komfortablen Vorsprung eine Mehrheit für Union und FDP und wird damit »nur« Chefin einer Großen Koalition, würde dies in der Unionsspitze schon als Niederlage gelten.

Artikel vom 17.09.2005