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Wortlos verschwand
»Auge« aus Leverkusen

Rudi Völler soll Bayer wieder nach oben führen

Leverkusen (dpa). Bayer Leverkusen hat überraschend Trainer Klaus Augenthaler entlassen und Rudi Völler als Interimscoach die Rolle als neuer Hoffnungsträgers übertragen.Sportdirektor auf der Bank: Rudi Völler.
»Wir wollten den Abstand zur Spitze nicht zu groß werden lassen und haben deshalb rechtzeitig die Reißleine gezogen«, erklärte Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser nach der 0:1-Blamage im UEFA-Cup-Hinspiel gegen ZSKA Sofia. »Ich bin überzeugt, dass Rudi Völler in der Lage ist, aus der Mannschaft rauszuholen, was in ihr drinsteckt.«
Der 45-jährige Sportdirektor wird bereits am Sonntag beim MSV Duisburg auf der Trainerbank sitzen. »Ich sehe mich im Moment als jemand, der in schwieriger Situation einspringt«, sagte Völler, »ich werde es aber mit aller Freude, Macht und Zuversicht machen.« Offen ist allerdings, ob es ein Intermezzo oder eine Dauerlösung sein soll. »Das werden wir nach ein, zwei Spielen entscheiden«, meinte Völler, der aber anfügte: »Ich sehe mich schon mehr am Schreibtisch als auf dem grünen Rasen.« Schließlich hatte ihn sein Trainer-Engagement im August 2004 beim AS Rom wenig Vergnügen bereitet. Schon nach 25 Tagen trat er zurück. Im Leverkusener Umfeld wird derweil schon mit Matthias Sammer spekuliert.
Die Trennung von Augenthaler, der im Mai 2003 kam und den Klub vor dem Abstieg rettete, fiel Holzhäuser schwer: »Ich musste mehrmals schlucken, als ich es ihm sagte. Er hat gute Arbeit abgeliefert und ist ein Top-Typ.« Für den 47-Jährigen, der noch einen Vertrag bis 2007 hat, kam die Entlassung trotz des nicht überzeugenden Saisonstarts unerwartet.
»Er war überrascht, aber ruhig und gelassen wie es seine Art ist«, berichtete Völler. Augenthaler verließ daraufhin wortlos am Freitag um 13.09 Uhr das Bayer-Gelände. »Wir hatten das Gefühl, dass es keinen Zweck mehr hat, und dass wir es nur vor uns her schieben. Irgendwann wäre es passiert, da muss man nicht um den heißen Brei rumreden«, sagte Völler, der zusammen mit Augenthaler 1990 in Italien Weltmeister wurde.
Mitentscheidend für den Raus-wurf war seine heftige Kritik an der Personalpolitik des Vereins (»Man hat hier Leute abgegeben, mit denen man die Champions League erreichte«) nach der 0:1-Pleite durch das Tor von Jordan Todorow (15.) gegen Sofia. »Ich würde lügen, wenn ich sage, seine Aussagen haben mich positiv gestimmt«, sagte Holzhäuser und betonte, dass alle Ver- und Einkäufe mit Augenthaler abgestimmt worden seien. »Die Elf, die beim 1:1 gegen Schalke 04 auf dem Platz gestanden haben, die hätte so mancher andere Bundesligist gern«, meinte auch Völler.
Im Trainingslager vor dem Spiel in Duisburg will er nun Einzelgespräche mit den Bayer-Profis führen. »Nur derjenige, bei dem ich wirklich das Gefühl habe, dass er Einsatz zeigen will, spielt. Deshalb werde ich jedem genau in die Augen schauen«, sagte Völler. »Wir wollen, dass Bayer in der Bundesliga wieder nach vorne kommt. Es ist eine Mannschaft, die in das erste Drittel gehört.«

Artikel vom 17.09.2005