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Millionen-Betrug: Behörden
haben zu wenig kontrolliert

Gütersloher Rechtsanwalt legt in Untersuchungshaft Geständnis ab

Von Wolfgang Wotke
Gütersloh (WB). Nach dreimonatiger Untersuchungshaft hat der Gütersloher Rechtsanwalt und Berufsbetreuer Olaf O. sein Schweigen gebrochen. Er legte ein umfassendes Geständnis ab. Das hat am Freitag Oberstaatsanwalt Reinhard Baumgart bestätigt. Dem 42-Jährigen werden Betrug und Untreue in 250 Fällen vorgeworfen. Der Schaden: mehr als 1,2 Millionen Euro.

Nach den umfangreichen Ermittlungen werden aber auch schwere Vorwürfe gegen die zuständigen Behörden erhoben. »Es gab kaum Kontrollen durch Vormundschaftsrichter oder den zuständigen Sachbearbeiter. Überprüfungen der eingereichten Belege und auch genauere Sichtungen von Dokumenten konnten angeblich auch aus Zeitmangel und Arbeitsüberlastungen bei den Gerichten einfach nicht vorgenommen werden«, fanden die Ermittler heraus.
Die Staatsanwaltschaft will in den nächsten Tagen prüfen, ob Olaf O. nach seiner Einlassung, die er an mehreren Tagen gemacht hat, wieder auf freien Fuß gesetzt werden kann, oder ob der Haftbefehl von Anfang Juni weiterhin wegen Fluchtgefahr Bestand hat. Sein Rechtsanwalt Rainer Pielsticker aus Bielefeld erklärte am Freitag telefonisch: »Mein Mandant stellt sich den Vorwürfen und würde am liebsten alles Geschehene rückgängig machen. Er will den entstandenen Schaden wieder gut machen. Falls der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wird, will er damit umgehend beginnen.«
Mittlerweile werden immer mehr Hintergründe und Details der Taten und der kriminellen Machenschaften von Olaf O. bekannt. Nach Informationen dieser Zeitung soll der Beschuldigte seit mehr als fünf Jahren die Vermögen seiner Betreuten veruntreut haben. Außerdem soll er Sozialleistungen von Kommunen zu unrecht erhalten haben.
Der in Untersuchungshaft sitzende Jurist (er ist verheiratet und Vater von drei Kindern) soll seit Mitte der 90er Jahre als Berufsbetreuer wie folgt gearbeitet haben: Zuerst erwarb er mehrere Immobilien, deren Wohneinheiten er über Scheinfirmen an Betreute vermietet haben soll. Bis zu 130 Personen soll er betreut haben. Dann nutzte er diese Firmen (zuletzt war es die Immobilienverwaltungsgesellschaft »Casa Nostra«), um beispielsweise Scheinrechungen für Reparaturarbeiten an seinen Häusern erstellen zu lassen. Diese Fälschungen, so die Vorwürfe, besorgte er sich von heimischen Handwerksunternehmen, die für ihn zuvor gearbeitet hatten. Mit diesen neuen Rechungen ohne Gegenleistungen soll Olaf O. dann die Konten der ihm anvertrauten Menschen regelrecht geplündert haben. In Wahrheit aber ließ er sein eigenes Anwesen in Marienfeld luxuriös ausstatten und renovieren: Sauna, Swimmingpool, überdachte Reithalle, wertvolle Möbel und Kunstgegenstände. Inzwischen sind die »Casa Nostra« und seine eigene Anwaltskanzlei in Gütersloh insolvent. »Die Casa Nostra hatte überhaupt keinen Geschäftsbetrieb«, erklärte der vorläufige Insolvenzverwalter Dr. Norbert Westhoff aus Bielefeld dem WESTFALEN-BLATT.
Weiterhin soll der einstige erfolgreiche Dressurreiter Olaf O. überhöhte Mieten, Anwaltsgebühren und Nebenkosten abgerechnet haben. Die Ermittlungsbeamten der Kripo Gütersloh sollen auf dubiose Kontoauszüge nach Haus- und Kanzleidurchsuchungen gestoßen sein, die beweisen, dass Betrügereien und Urkundenfälschungen in großem Umfang stattgefunden haben. In seinem Privathaus soll die Polizei sogar Waffen entdeckt haben. Daneben sollen Verbindungen ins Rotlichtmillieu bestätigt worden sein. Außerdem soll Olaf O. noch zwei weitere Wohnungen für sich privat genutzt haben.

Artikel vom 17.09.2005