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»Alles muss in Bewegung sein. Was ich von Unternehmen erwarte, gilt selbstverständlich auch für mich und meine gesamte Mannschaft«, versichert Schäfer. »Man muss auch sich selbst einmal raten.« Am Abend nach Büroschluss startet Schäfer mit der Ehefrau zum eigenen Fitnesstest, auf einer ausgedehnten Walking-Runde. In seiner Kanzlei, hat der gebürtige Bielefelder einen Fitness-Check für Firmen entwickelt.
»Sich nur mit einer Bilanz zu befassen, also mit den quantitativen Faktoren, ist viel zu oberflächlich«, betont Schäfer. Zahlen von gestern helfen morgen kaum bei der Finanzierung, Neuausrichtung oder Optimierung eines Betriebes. Das Gewicht der so genannten weichen Faktoren im Rating, also Standortbedingungen, Nachfolgeregelung, Wettbewerbsanalyse und Businessplan, Markt und Marketing, Abhängigkeiten von Kunden und Lieferanten werden deshalb an Gewicht gewinnen. Legen heimische Banken derzeit 60 Prozent der Gewichtung bei einer Firma auf die »harte Bilanz«, kommt dem bei Rating-Agenturen nur ein Anteil von 30 Prozent zu, versichert Schäfer, der ein knappes halbes Jahr lang an der Fachhochschule in Nürnberg die Schulbank gedrückt hatte und nach dem Buchprüfer und Steuerberater auch noch den qualifizierten Abschluss als Rating-Analyst anschloss.
»Ein Fitness-Check tut nicht nur einem Körper gut, sondern auch einem Betrieb««, weiß Schäfer. Wie bei der Wettervorhersage gibt es gefühlte und tatsächliche Fakten in jeder Firma. Gerade wichtige Weichenstellungen wie Forschung & Entwicklung (dem eigentlich 20 bis 30 Prozent der Zeit gehören sollten) oder neue Produkte und Projekte bleiben im Alltagsgeschäft oft auf der Strecke - zumeist unbeabsichtigt. Wer als Unternehmer mit 55 keine schlüssige Nachfolgeregelung vorweisen kann, bekommt kaum Finanzmittel, weil die Perspektive des Rückflusses kaum gesichert scheint.
Seine eigene Position beschreibt der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann, der erst 1969 im zweiten Anlauf zu den steuerberatenden Berufe kam, inzwischen als eine Art »Global Coach«, einen Trainer und Betreuer, der alle Faktoren im Auge behalten muss und dem Unternehmer oder Freiberufler ein verlässlicher Partner ist. Schäfer: »Natürlich muss man alles bedenken und äußern, will man sich nicht später vorwerfen lassen, etwas versäumt zu haben.« Wichtige Basis ist deshalb breites Vertrauen und Offenheit. Die Frage der Steuerberatung gerät nicht nur angesichts der gegenwärtigen Wirtschaftslage eher in den Hintergrund.
Mit gerade sieben Prozent durchschnittlicher Eigenkapitalquote und verhaltenen Ertragsperspektiven ist der Mittelstand in schwerem Fahrwasser unterwegs. Viele Betriebe müssen überhaupt erst zu irgendeiner Ertragsperspektive kommen, da kann man von Steuersparmodellen kaum sprechen. Die dienstältesten Mandanten sind bereits seit 1970 bei Schäfer an Bord: »Man kennt sich, man vertraut sich und sagt die ganze Wahrheit. Ein wichtiger Baustein.« Die Notwendigkeit von Controlling und umfassendem Risikomanagement ist extrem wichtig. Unternehmer müssen bestimmte Aufgaben delegieren. Schäfer: »Wenn das im Betrieb nicht geht, muss es eben an den Rating-Analysten und Vertraute gehen. Aber auf keinem Fall dürfen bestimmte Faktoren außen vor bleiben.«
Wer sich bei einer Tasse Kaffee länger mit dem Vollblutberater unterhält, erfährt viel über die Komplexität und Vielschichtigkeit unseres Wirtschaftssystems, in dem gerade Klein- und Mittelständler einen schweren Stand haben. In den Mühlen zwischen Aktiva und Passiva, zwischen Umsatz und Ertrag drohen viele kleine Existenzen auf der Strecke zu bleiben, denen Offerten wie Leasing, Miete und Outsourcing den Blick auf die tatsächliche Perspektive ihrer Geschäftsidee schlimmstenfalls vernebelt haben.
Auch die Frage der Unternehmensfinanzierung wird immer komplizierter. Heute kommen noch 65 Prozent der Finanzierung von den Banken, in den USA nur 20 Prozent. Gleichzeitig stoßen kleine Banken schnell an Haftungsgrenzen. Die gesamte Bankenlandschaft befindet sich im Umbruch. Ein Stück Zukunftsmusik für mehr Liquidität und Finanzierung von Zukunftsperspektive im Betrieb spielt unter anderem mezzanines Kapital, Factoring, Leasing, Asset Backet Securitys (Versicherung) und Private Equity. Private Einlagen stärken die Wirtschaft im Land. Schäfer: »Aber auch diese Anleger fragen ganz genau nach, bevor sie Mittel einsetzen. Ein optimales Rating ist da von großer Bedeutung. Man kommt daran nicht vorbei.«

Artikel vom 17.09.2005