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Nach der Wahl sind die
Richter erneut am Zuge

Weitere Klagen abgewiesen - Beschwerde angekündigt

Karlsruhe (Reuters). Das Bundesverfassungsgericht hat die letzten Klagen kleiner Parteien gegen das Vorziehen der Bundestagswahl auf Sonntag abgewiesen. Die Klagen seien unzulässig, hieß es in einem gestern in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss.

Geklagt hatten mehrere kleine Parteien, darunter die Republikaner und die Deutsche Zentrumspartei. Sie hatten sich gegen die Auflösung des Bundestages und die Zahl von Unterstützungsunterschriften gewandt, die kleine Parteien erreichen müssen, um zur Wahl zugelassen zu werden. Mit dem Beschluss hätten sich sämtliche Klagen von kleinen Parteien gegen die Wahl erledigt, sagte eine Gerichtssprecherin.
Die Direktkandidatin aus dem saarländischen Wahlkreis Homburg, Elvira Ibraimkulova, kündigte unterdessen an, das Wahlergebnis anfechten zu wollen. Ihr Eilantrag gegen die Ermittlung und Bekanntgabe des vorläufigen Ergebnisses der Bundestagswahl am Sonntag war am Mittwoch verworfen worden.
Bundestagswahlen waren schon seit jeher ein juristisch heiß umkämpftes Feld, nicht nur, wenn es - wie diesmal - um einen vorgezogenen Wahltermin geht. Kleine Parteien kämpfen gegen angebliche Benachteiligungen, Kandidaten streiten um Fernsehsendezeiten, und nach der Wahl hagelt es Wahlprüfungsbeschwerden von Bürgern, die regelmäßig eine ganze Palette vermeintlicher Fehler beanstanden. Sie tun dies allerdings mit mäßigem Erfolg: Bisher ist noch keine Bundestagswahl in der Geschichte der Bundesrepublik annulliert worden.
Nach der letzten Wahl im Jahr 2002 haben etwa 520 Bürger Wahlprüfungsbeschwerde beim - zunächst zuständigen - Bundestag eingelegt, 19 von ihnen zogen weiter bis nach Karlsruhe. Ein Verfahren ist bis heute offen: Dabei geht es um die umstrittene Stimmenauszählung in zwei Berliner Wahlkreisen, in denen die PDS zwei Direktkandidaten durchgebracht hatte. 16 000 Wähler dieser Direktkandidaten hatten der SPD ihre Zweitstimme gegeben - Stimmen, die nach Ansicht der CDU nach Paragraf 6 Bundeswahlgesetz nicht hätten gezählt werden dürfen, weil die PDS dort keine Landesliste hatte. Wegen des knappen Vorsprungs der SPD von nur 6027 hätte die Union die SPD im Zweitstimmenergebnis noch überholen können - was freilich wegen der Überhangmandate nichts an der Sitzverteilung im Parlament geändert hätte.
Zu den Dauerbrennern in Karlsruhe gehören Beschwerden gegen Überhangmandate und starre Landeslisten, gegen die Fünf-Prozen-Klausel und das Zählverfahren - Beschwerden, die häufig von einem seit Jahren bekannten Kreis besonders engagierter Bürger eingelegt werden. Kleinparteien streiten häufig um die Teilnahme an Fernsehsendungen oder gegen die hohe Zahl an Unterschriften, die Voraussetzung einer Wahlzulassung sind. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle scheiterte vor drei Jahren zunächst beim Oberverwaltungsgericht Münster und dann beim Bundesverfassungsgericht mit dem Versuch, zum TV-Duell der Kanzlerkandidaten zugelassen zu werden.
Dass Wahlprüfungsbeschwerden bisher immer abschlägig beschieden worden sind, bedeutet freilich nicht, dass die Einwände immer an den Haaren herbei gezogen wären. Denn Fehler im Wahlverfahren führen nur dann zu Konsequenzen, wenn sie »mandatserheblich« sind, sich also auf die Zusammensetzung des Parlaments auswirken. Die Verfassungsrichter haben die Hürde sehr hoch gesetzt, um die Stabilität einer einmal gewählten Volksvertretung nicht zu gefährden.

Artikel vom 16.09.2005