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Reiches Repertoire
für »Kampherm«-Orgel

Birke Giesenbauer begeisterte das Publikum


Brackwede/Isselhorst (WB). Vom kleinen Friedrichsdorf am Südwestende des Großraums Bielefeld hört und sieht man diesen Sommer viel Gutes. Kaum war der große Pfarrgarten von den Überresten des 8. WiesÕn-Rock-Festivals »Umsonst und Draußen« gesäubert, da flimmerte in der »Aktuellen Stunde« eine kurzweilige Reportage über das vor mehr als 220 Jahren gegründete Töpferdorf und seine kulturelle Mannigfaltigkeit über die Mattscheibe.
Kein Wunder, dass eine junge Organistin aus dem Nachbarort Isselhorst sich aufmachte, um die zu einiger Berühmtheit gelangte neue Kampherm-Orgel in der Evangelischen Johanneskirche zum Klingen zu bringen. Birke Giesenbauer hatte ein reichhaltiges Repertoire mitgebracht und flößte die Disposition in der ganzen Bandbreite der Register in die Ohren der Besucher.
Mit heiteren Worten stellte sie in einer kleinen Begrüßungsrede manche Verbindung zwischen den Komponisten her, denen sie sich dann mit Leidenschaft widmete. Ein englischer Barockmeister machte den Anfang: John Stanley. Er stimmte die Zuhörer so sanft ein, wie er es in seiner anglikanischen Heimat vor 250 Jahren getan haben mag.
Mit einer Ciacona in e-moll, auf deren Struktur die Organistin eingangs verwiesen hatte, erklang Buxtehude. Er war der wichtigste Lehrer von Johann Sebastian Bach und führte die Ohren der Konzertbesucher in die polyphone Vielfalt deutscher Barockmusik ein.
So warteten alle Zuhörer in knisternder Spannung, als das Hauptwerk des Konzertes, das große Präludium und die Fuge in Es-Dur des Leipziger Thomas-Kantors einsetzte. Birke Giesenbauer verstand es, das epochale Werk in bescheidener Zurückhaltung erklingen zu lassen. Den Spannungsbogen bot sie mit großer Vielfalt und mit nicht enden wollender Variationsbreite dar.
Präludium und Fuge in d-moll von Felix Mendelssohn Bartholdy zeigten sich als romantisches Pendant zum Bachschen Werk. Doch wurde auch viel Verwandtes sichtbar. Auch hier entfesselte die Organistin einen reichen Klangteppich.
Ein Stück von Justin Heinrich Knecht nahm sie zum Anlaß, die vielfältige Registrierung der Orgel zum Vorschein zu bringen. Mit Einfühlung assistiert von Rainer Timmermann, dem Kantor von Friedrichsdorf - quasi dem »Herrn der Empore« - ließ Birke Giesenbauer so exotische Register wie Sifflöte, Waldflöte, Hohlflöte und Rohrflöte erklingen. Heiterkeit breitete sich unter den Zuhörern aus, als ein zeitgenössischer Komponist aus Budapest, Zsolt Gardonyi, seine Liebe zu Mozart in wechselnden aber gefälligen Variationen dem Jazz annäherte. Die Besucher dankten der Künstlerin mit nachhaltigem Applaus und erhielten noch eine Zugabe. Ein milder Spätsommerabend entließ alle Beteiligten froh gestimmt in die Arbeitswoche. Siegfried H. Wunschel.

Artikel vom 16.09.2005