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Union will Spar-Liste sehen

Auftrag kam angeblich direkt aus dem Kabinett - Eichel spricht von Lüge

München/Berlin (WB/dpa). Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber hat von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die sofortige Offenlegung der umstrittenen »Sparliste« von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) gefordert.

Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios und der Zeitung »Die Welt« soll die Bundesregierung schon im Juli über die Erarbeitung eines Sparprogramms informiert gewesen sein. Bereits in der Kabinettssitzung vom 8. Juli sei ein entsprechender Prüfauftrag von Hans Eichel eingeholt worden. Er habe das Vorgangszeichen II A 1-H 1120-2006-21/05 erhalten, berichtete die Zeitung gestern. Die nun vorliegende Gesamtaufstellung der Spar-Vorschläge entstamme genau jenem Referat II A 1, das im Aktenzeichen genannt ist. Auf dem Kopf der Streichliste sei als Bezug exakt jenes im Kabinettsvorgang vergebene Aktenzeichen angeführt. Besonders heftig soll der »Welt« zufolge im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit gespart werden. Der Etat von derzeit etwa 35 Milliarden Euro solle um fünf Milliarden gekürzt werden.
In einer Demokratie hätten die Bürger einen Anspruch darauf, vor der Wahl zu erfahren, was die Regierung nach der Wahl machen wolle, erklärte Stoiber gestern in München. »Hier wird von Schröder und Eichel ein dreister Wahlbetrug vorbereitet«, sagte Stoiber.
Auslöser ist eine angebliche Sparvorlage aus dem Finanzministerium über 30 Milliarden Euro. Ein solcher Betrag soll demnach jährlich zwischen 2006 und 2009 quer durch alle Ressorts eingespart werden. Bei der jetzt aufgetauchten Liste wurden ein mögliches Strukturdefizit von 30 Milliarden Euro per »Rasenmähermethode« zu gleichen Anteilen auf die Etats der Ministerien und Einzelpläne aufgeteilt und jeweils rund 13,9 Prozent der bisher geplanten Ausgaben einfach abgezogen. Konkrete Maßnahmen und Beschlüsse über Einsparungen gibt es nicht.
Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) warf der Opposition wegen der heftigen Kritik an den Sparlisten aus seinem Haus der »Lüge« vor. Eichel hielt Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel, CSU-Chef Edmund Stoiber und FDP-Chef Guido Westerwelle »unwahre Behauptungen« vor. Die drei versuchten nur, von den »unsozialen und finanzpolitisch unseriösen Konzepten von Herrn Kirchhof abzulenken«.
SPD-Chef Franz Müntefering sieht in der Auseinandersetzung eine »gezielte Aktion« der Union, um von den von ihr geplanten sozialen Einschnitten abzulenken. »Es hat einen Auftrag seitens der Führung des Ministeriums für eine solche Liste nicht gegeben. Es gibt sie nicht«, sagte Müntefering gestern in Berlin. Müntefering warf in diesem Zusammenhang der Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel »Täuschung« vor.
Der Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Haushaltsausschuss, Steffen Kampeter aus Minden, forderte Eichel gestern ebenfalls auf, noch vor der Wahl seine Sparpläne offen zu legen. »Ein anständiger, ehrlicher Finanzminister würde jetzt mit Hochdruck daran arbeiten«, sagte Kampeter. Im Haushalt klaffe eine Deckungslücke von jährlich 25 Milliarden Euro. Wahl-Sonderseiten

Artikel vom 16.09.2005