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Die Kasse vorm Garten der Freiheit

Kirchhof erläutert Unternehmern in Porta, »was wir wirklich wollen«

Von Reinhard Brockmann
Porta Westfalica (WB). »Ich freue mich, aufklären zu dürfen, was wir wirklich wollen«, sagt mit ruhiger Stimme Paul Kirchhof, den der Kanzler »diesen Professor aus Heidelberg« schimpft und der in Wirklichkeit in Osnabrück zu Hause ist.

Was liegt da näher, als dass CDU-Haushaltsexperte Steffen Kampeter den Wunschkandidaten fürs Finanzministeramt kurz vor der »Richtungsentscheidung« in seinen Wahlkreis einlädt? Dort und insbesondere beim Mittelständler Schäferbarthold GmbH in Porta Westfalica hat »Arbeit Vorfahrt«, weshalb das gestrige Wirtschaftsgespräch auch nicht im Hochregallager stattfand, sondern auf der Konferenzetage.
Dort ist der Professor, der eingangs noch seine Studenten lobt »ein toller Jahrgang«, schnell mit Arbeitgebern, Bankern und Steuerberatern (!) auf Augenhöhe. Nein, kann er beruhigen, auch nach der radikalen Vereinfachung bleibt für die steuerberatenden Berufe immer noch genug zu tun. Im Gegenteil, ihr Handwerk werde irgendwie korrekter, müssten sie doch künftig nicht mehr zu unsinnigen Tricksereien raten, sondern könnten helfen, eine blitzsaubere Bilanz aufzustellen.
Darum geht es Merkels Mann mit den großen Visionen und einem exakten Fahrplan - genau auf CDU-Kurs. Zuerst kommt die ausnahmslose Erfassung aller Einkünfte und dann die korrekte Besteuerung zu den niedrigsten Steuersätzen in der Geschichte.
»Bei der Lohn- und Einkommensteuer senken wir den Eingangssteuersatz auf 12 Prozent und den Spitzensteuersatz auf 39 Prozent«, referiert Kirchhof das Merkelprogramm. Seine eigene weitergehende Vision - von Rot-Grün zum »Zerrbild« entstellt, wie er beklagt - stellt Kirchhof erst einmal hinten an.
Auch hartnäckigsten Reporterfragen am Rande, in welchem schwarz-gelben Regierungsjahr denn nun die Einheitsrate von 25 Prozent für alle komme, weicht er aus, murmelt lediglich, erst sei das Unionsprogramm dran und »danach ist Denken und Phantasie nicht ausgeschlossen«.
Es werde einen einheitlichen Grundfreibetrag für jede Person, sei sie Erwachsener oder Kind, von 8000 Euro geben, erläutert Kirchhof im Unternehmergespräch weiter. Der Kindergrundfreibetrag könne, soweit er durch eigene Einkünfte des Kindes nicht ausgeschöpft werde, auf die Eltern übertragen werden. Dabei bleibe eine Arbeitnehmerfamilie mit zwei Kindern bis zu einem Einkommen von 38 200 Euro im Jahr einkommensteuerfrei unter Berücksichtigung des neuen Kindergrundfreibetrages und sonstiger pauschaler Abzüge. Gegenüber Eichels aktuellem Steuertarif seien das für diese Familie 5000 Euro mehr.
Womöglich wegen des knappen Zeitplans sagt er nicht, was das CDU-Programm an dieser Stelle ausdrücklich hinzufügt: »Im Zusammenhang mit der Einführung des Kindergrundfreibetrages ist unter Berücksichtigung des Kinderbonus eine Auswirkung auf das Kindergeld zu prüfen.«
Viel mehr interessiert das Publikum hier, wie es für die Unternehmen weitergeht. Gastgeber Christian Schäferbarthold hatte eingangs die Stichwörter gegeben. Ein Steuersatz von 25 Prozent lasse »jeden Unternehmer frohlocken, wenn alles andere auch gleich bleibt«, was nun gerade nicht der Fall sein wird.
Halbeinkünfteverfahren und allerlei nachgelagerte Besteuerungen würden zugunsten einer einfachen Ein-für-allemal-Besteuerung abgeschafft bestätigt Kirchhof, um dann bekannt blumig wie in einer vollbesetzten Audi-Max-Vorlesung anzufügen: »Wenn Sie am Kassenhäuschen 25 Prozent vorbei sind - diese Zahlungspflicht kann ich den Unternehmen nicht ersparen -, sind Sie im großen Garten der Freiheit angekommen.«

Artikel vom 16.09.2005