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Richter üben massive Kritik
an den türkischen Zeugen

Busfahrer: Elf Jahre wegen Totschlags statt lebenslänglich

Bielefeld/Heiligenhaus (uko). Ein Busfahrer aus Heiligenhaus (Kreis Mettmann) ist wegen der Tötung seines Cousins zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Das Schwurgericht des Landgerichts Bielefeld hielt den 36-jährigen Mann gestern des Totschlags für schuldig, ein Mordmotiv erkannten die Richter nicht.

Busfahrer Ercüment C. hatte am Morgen des 30. Dezembers 2004 den Brackweder Autoverkaufsplatz seines in Bielefeld lebenden Bruders aufgesucht und dort nur den 26-jährigen Türken Hakan C. angetroffen. Dieser junge Mann hatte Monate zuvor gegen den Willen der Familie die Cousine seiner Ehefrau geheiratet. Obendrein hielt sich der 26-Jährige illegal mit falschen Papieren in Deutschland auf. Aus einer Fehde um gekränkte Familienehre war so im Laufe der Monate eine zunehmende Verfeindung entstanden.
In dem Verkaufscontainer war es zu einer folgenschweren verbalen Auseinandersetzung zwischen den Männern gekommen, in deren Verlauf der Busfahrer seinem Widersacher 32 Mal eine Waffe in den Körper rammte. Das Opfer verstarb noch am Tatort. Ercüment C. war danach nach Heiligenhaus zurückgefahren, wo er am Nachmittag jenes Tages festgenommen wurde. Die Waffe, die er nach Überzeugung des Schwurgerichts mit nach Bielefeld gebracht hatte, wurde nie gefunden.
»Eine Planung der Tötung konnten wir nicht feststellen«, sagte Jutta Albert, Vorsitzende Richterin des Schwurgerichts. Immerhin habe C. kurz vor der Tat ein Telefonat mit seinem Bruder geführt und ihn um sein Kommen gebeten. Die Richter mochten indes auch nicht erkennen, dass der Täter vom späteren Opfer durch schwere Beleidigungen zum Zorn gereizt worden sei. Zum einen seien sexuelle Beleidigungen unter Türken üblich und geradezu profan geworden. Zum anderen sei es doch Ercüment C. gewesen, der durch sein Verhalten diese Beleidigungen förmlich provoziert habe. Der Busfahrer hatte den jungen Mann aufgrund seiner Illegalität bei der Polizei und beim Finanzamt angezeigt.
Als Motiv für die Tat wertete das Gericht jedoch die Tatsache, dass die Einladung des Heiligenhauseners zu einer Versöhnungsfeier am Silvestertag 2004 vom Opfer ausgeschlagen wurde. Zudem habe er sich von einer Person beleidigt gefühlt, von der er eigentlich Respekt und Dankbarkeit erwartet habe. Im übrigen bezeichnete Albert die Tötung als »Abschlachtung eines Menschen«.
Recht deutliche Worte fand die Richterin zum Aussageverhalten der überwiegend türkischen Zeugen aus den Lagern der verfeindeten Familien, die »entweder mauerten oder die Dinge dramatisierten«. Jutta Albert: »Es ist traurig, dass sich Menschen nicht schämen, die Ermittlungsbehörden zu belügen, um die Aufklärung eines Tötungsdeliktes zu verschleiern.«
Staatsanwalt Christoph Mackel hatte zuvor wegen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe gefordert, die Anwälte des Angeklagten nur vier Jahre Haft wegen Totschlags in einem minder schweren Fall. Die Verteidiger Ralf Lindrath und Detlev Stoffels kündigten gestern nach der Urteilsverkündung den Gang in die Revision an.

Artikel vom 15.09.2005