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»Rocker-Prozess« kostet
Steuerzahler Vermögen

Verurteilter zahlt nichts - Opfer-Familie geht zum BGH

Von Christian Althoff
Espelkamp (WB). Mehr als 300 000 Euro kostet die Steuerzahler der »Rocker-Prozess«, bei dem der Tod des Espelkampers Willi Banmann (30) verhandelt worden war. »Es ist ein Skandal, dass das Gericht die Kosten nicht dem Angeklagten auferlegt hat«, sagte gestern Anwalt Klaus Rüther, der die Hinterbliebenen vertreten hatte.
Rechtsanwalt Klaus Rüther vertritt die Hinterbliebenen.
Im »Rocker-Krieg« zwischen den »Bandidos« und den »Outlaws« war Metallarbeiter Willi Banmann im Juli 2004 von »Bandidos«-Präsidenten Wolfgang E. (46) erschossen worden - »in Notwehr«, wie dieser angab. Da dies nicht widerlegt werden konnte, war E. in der vergangenen Woche vom Totschlagsvorwurf freigesprochen worden. Wegen unerlaubten Waffenbesitzes wurde er jedoch zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. »Und deshalb hätte man ihm auch die Kosten des Verfahrens auferlegen müssen, und nicht der Landeskasse«, sagte Rüther. Er schätzte die reinen Gerichtskosten auf etwa 50 000 Euro. Mit weiteren 250 000 Euro schlägt der Einsatz von 20 Polizisten zu Buche. Sie mussten an den 25 Verhandlungstagen für die Sicherheit im Gerichtsgebäude sorgen, weil Mitglieder der beiden verfeindeten Gruppen im Zuschauerraum saßen.
Der Anwalt hat gestern beim Bundesgerichtshof (BGH) die Revision beantragt: »Die Familie des Toten ist entsetzt über das Urteil, und ich halte es ebenfalls für fehlerhaft«, erklärte Rüther. Der »Bandidos«-Präsident habe, nachdem »Outlaws« an seine Haustür geschlagen hatten, sein Haus mit einer entsicherten Pistole verlassen und sei 30 Meter gelaufen, um nach den Verursachern zu suchen. »Dann zu schießen, wenn man einen entdeckt hat, und das als Notwehr darzustellen - das darf nicht durchgehen«, sagte Rüther. Auch der Staatsanwalt, der wegen Totschlags fünf Jahre und acht Monate Haft gefordert hatte, hat Revision beantragt.
Der Anwalt bezeichnete es als befremdend, dass das Landgericht Osnabrück bei der Urteilsbegründung kein Wort für die Hinterbliebenen gefunden und sie »schlicht übergangen« habe. »Die Eltern haben ihren Sohn und die fünf Geschwister ihren Bruder verloren. Und niemand hielt es für nötig, ihnen zu erklären, warum der Mann, der Willi getötet hat, dafür nicht zu büßen braucht. Das war nicht in Ordnung.«

Artikel vom 16.09.2005