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Scharfer Konflikt
um Tarifvertrag

Diakonie-Mitarbeiter sind empört

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Auf einen scharfen Arbeitskampf stellen sich die Mitarbeiter der von-Bodelschwinghschen Anstalten und des Johanneswerks ein. Sie fürchten die vollständige Abkoppelung vom Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes (TVÖD). Tenor: »Unzumutbare Härten!«

Die Mitarbeitervertretungen (MAV) der beiden diakonischen Einrichtungen fordern zwecks Erhalt des sozialen Friedens, zwecks Motivation der Beschäftigten und zwecks Verhinderung eines Kirche und Diakonie schädigenden Wettbewerbs die Übernahme des TVÖD. Um ihren Vorstellungen Nachdruck zu verleihen, übergaben sie gestern den in Kassel verhandelnden Tarifparteien (Arbeitsrechtliche Kommission) eine entsprechende Resolution.
Fernziel der beiden kooperierenden MAV ist der Abschluss »kirchengemäßer Tarifverträge«: Die im Zeichen des Kreuzes arbeitenden Menschen müssten auf eine »anständige« arbeitsrechtliche Behandlung vertrauen dürfen, heißt es.
Laut Roland Brehm und Georg Neumann, den Vorsitzenden der Gesamt-MAV Bethel und Johanneswerk, planen die Arbeitgeber im »Tarif 21« die Einführung der 40-Stunden-Woche »mit Option auf mehr«, ein variables Entgelt (zehn Prozent des Gehaltes werden erst bei erhöhter Leistung und »orientiert an der finanziellen Lage der Einrichtung« überwiesen), weniger Urlaub, Krankengeld für maximal sechs Wochen sowie die Streichung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
»Die Ansicht der Mitarbeiter in beiden Einrichtungen lautet: Jetzt reicht's!«, sagt Brehm. »Mittlerweile werden wir sogar von den Angehörigen unserer Patienten und Bewohner unterstützt - die wissen nämlich, dass der Sozialabbau qua Tarifvertrag zu Lasten unserer Schutzbefohlenen geht.«
Die MAV-Vertreter üben massive Kritik an den Vorständen, Pastor Friedrich Schophaus und Rainer Heekeren (Bethel) sowie Pastor Dr. Udo Krolzik und Karsten Gebhardt (Johanneswerk). Es erzürnt sie, dass deren Vorschläge die Konkurrenzsituation in Kirche und Diakonie verschärfen - kühles Kalkül (»Wer hat die billigsten Mitarbeiter?«) dränge den sozialen Dienst am Nächsten in den Hintergrund. »Sogar dass die Motivation der Beschäftigten trotz der drohenden Einschnitte enorm hoch blieb, will die Arbeitgeberseite jetzt zur Durchsetzung ihrer Ziele ausnutzen«, erklärt Neumann.
Von dem Konflikt, der spätestens am Jahresende beigelegt sein soll, sind 14 000 Mitarbeiter in Bethel und 5000 im Johanneswerk betroffen. Sie alle sind aufgerufen, an einer zentralen Versammlung am Donnerstag, 29. September, 13 Uhr, im Assapheum teilzunehmen. Noch ist das Ergebnis offen - sogar die zentrale Frage, ob ein Streik erlaubt sei. Die Arbeitgeber sagen: nein. Doch Brehm erklärt: »Wir in Kirche und Diakonie haben alle Rechte, die andere Arbeitnehmer auch haben.«

Artikel vom 16.09.2005