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Gräfin liebt Rudolf und wählt Angela

Wenn Promis zu Wahlkämpfern werden, gerät ihr Rat nicht selten zur kleinen Seifenoper

Von Dorothée Junkers
Berlin (dpa). Punk-Lady Nina Hagen lobt den grünen Außenminister Joschka Fischer, Film-Beau Sky du Mont die FDP. Und Gräfin Kristina Pilati, Ehefrau von Rudolf Scharping, sagt: »Ich wähle CDU.«

Künstler um den Maler Jörg Immendorff schalten Zeitungsanzeigen für Bundeskanzler Gerhard Schröder und von Volker Schlöndorff (Lindenstraße) bis Heino bekennen sich Promis zur CDU-Kandidatin Angela Merkel. Im Wahlkampf legen sich derzeit Stars und Sternchen für ihre Lieblings-Partei ins Zeug. »Promis sind Dekoration, der Zuckerguss auf dem Wahlkampfkuchen«, sagt Ex-»Bild-am-Sonntag«-Chefredakteur Michael Spreng.
Zwar hat die Unterstützung der Künstler, Regisseure und Autoren nicht das Ausmaß wie für Willy Brandt im Jahr 1972 angenommen, als Scharen Intellektueller und Prominenter erstmals »Willy-Wählen!«-Anstecker trugen. Doch können die Parteizentralen mit einigen Dutzend bekannter Namen aus Wirtschaft, Kultur und Sport aufwarten.
Die offizielle Liste der Unterstützer um Günter Grass, Iris Berben, oder Techno-DJ Paul van Dyk sei länger denn je, sagt Achim Post, in der SPD-Wahlkampfzentrale zuständig für die Promis. Einen Aufruf von Filmemachern um Wim Wenders, Hark Bohm und Hollywood- Kameramann Michael Ballhaus unterschrieben zudem mehr als hundert Unterstützer von Maria Schrader bis Uwe Ochsenknecht. Und vor dem Auftritt des Kanzlers auf den Marktplätzen der Republik heizt Schlager-Star Roland Kaiser dem Publikum ein.
Während prominenter Flankenschutz im Wahlkampf der SPD Tradition hat, schmückt sich auch die Union zunehmend gerne mit bekannten Namen. So bot sich Heino unlängst als Volksliedbeauftragter an, der muskelbepackte Filmstar Ralf Moeller posierte mit der Kandidatin. Aktionskünstler HA Schult malte sie mit dem Schriftzug »Angie«. Und Promi-Friseur Udo Walz wurde sogar Partei-Mitglied.
Auch Regisseur Volker Schlöndorff berichtete kürzlich in der ARD von seiner Freundschaft mit Merkel. Hätte er die Rolle eines Kanzlers zu besetzen, fiele sie ihm, wie er sagt, »als allerletzte ein«. Aber gerade das gefalle ihm so gut. Schlöndorffs Eintreten für die CDU ist keine Selbstverständlichkeit. Insbesondere unter Künstlern sei es nach wie vor schicker, sich zur SPD zu bekennen, weiß Profi Spreng, der 2002 den Kanzlerkandidaten-Wahlkampf für CSU-Chef Edmund Stoiber organisierte. Diesmal kümmere sich die Union jedoch mehr um Promis.
Über die Wirkung streiten die Experten. »Prominente bewegen keine einzige Wählerstimme«, glaubt Spreng. Post erwidert: »Auf jeden Fall schlägt sich das in Stimmen nieder.« Das sieht Public-Relations-Expertin Romy Fröhlich genauso. Auch in der Werbung würden zunehmend Prominente eingesetzt, die auf das Publikum besonders glaubwürdig wirkten und zudem Neugier weckten, erklärt die Münchner Professorin. Dieser Mechanismus lasse sich auch auf die Politik übertragen. Zudem sei die Bereitschaft Prominenter gestiegen, sich politisch zu outen.
Auf der Homepage der Grünen macht sich beispielsweise Ulknudel Hella von Sinnen für Bürgerrechte stark. Schriftsteller Feridun Zaimoglu schreibt: »Grün ist entscheidend, damit sich Deutschland nicht »vermerkelt«.« Auch die Linkspartei kann mithalten. Tatort-Schauspieler Peter Sodann kandidierte zwar nur für zwei Tage für das Bündnis aus PDS und WASG. Doch spielt Sänger Konstantin Wecker für die Linken auf. Partei-Chef Lothar Bisky konnte seinen Sohn Norbert Bisky aber offenkundig nicht gewinnen: Der Maler, zu dessen Kunden FDP-Chef Guido Westerwelle zählt, unterschrieb die SPD-Werbung der Künstler um Immendorff.
Im Herzen von Schauspieler Ottfried Fischer haben gleich zwei Parteien Platz: Mit Grünen-Frontmann Joschka Fischer trat er im Wahlwerbespot auf, die SPD listet ihn auf ihrer Internet-Seite. »Das ist kein Problem für uns, es gibt mehrere Promis, die beide Parteien unterstützen«, sagt Grünen-Sprecherin Heide Schinowsky. Auf der anderen Seite trat Mode-Designer Wolfgang Joop erst für die Liberalen, dann für die Union in den Ring.

Artikel vom 14.09.2005