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Ein Plüschaffe
als Erinnerung

Große Ausstellung »Aufbau West«

Von Katrin Pinetzki
Dortmund (dpa). Bundespräsident Horst Köhler, Puppen-Fabrikantin Käthe Kruse und Moderator Alfred Biolek haben etwas gemein. Sie stammen aus Regionen, die viele jüngere Deutsche nicht mehr kennen: Wolhynien, Mähren oder Banat. Zehn Millionen Menschen mussten nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Heimat verlassen.
Heimatliche Erde im Gurkenglas, gedacht als Grabbeigabe.Foto: dpa

Die große Ausstellung »Aufbau West« im Westfälischen Industriemuseum Zeche Zollern II/IV erinnert vom kommenden Sonntag an Flucht und Vertreibung, aber auch an eine Region auf dem Weg in die Wirtschaftswunderzeit. Die Schau läuft bis zum 26. März 2006.
Doch vor dem Wunder standen Hunger, Ungewissheit, Notunterkünfte. Fotos erinnern an diese Zeit genauso wie ein Plüschaffe, der einem neunjährigen Mädchen aus Schlesien geblieben war. In einem Eisenbahn-Waggon können Besucher sehen, wie eng und mühsam die Fahrt gen Westen verlief. Den größten Teil der Ausstellung nimmt aber die Aufbau-Zeit ein: der Bergbau, der hunderttausende Arbeiter benötigte, aber auch Industrien, die erst durch die Einwanderung aus dem Osten nach NRW gelangten wie die Textil-Industrie nach Gelsenkirchen.
»Aufbau West« - der politisch aufgeladene Titel sei mit Bedacht gewählt, sagte der Kulturdezernent des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Karl Teppe. Erhebliche Transferleistungen seien nach dem Krieg durch die zehn Millionen Flüchtlinge und Vertriebene in den Westen gelangt. Diese Menschen und ihre persönlichen Geschichten stehen im Mittelpunkt der Ausstellung, die nach zwei Jahren Vorbereitung mit einem umfangreichen Begleitprogramm aufwartet. Die Schau sei auch ein »Geschenk an das Land NRW«, das im kommenden Jahr 66 Jahre alt werde, sagte Teppe.
Der Besucher geht auf seinem Rundgang den Weg der Flüchtlinge nach, nimmt ihre Perspektive ein. Etwa 800 Exponate aus Industrie und Alltagsleben sowie Bild- und Tondokumente von Zeitzeugen machen die Reise ins Nachkriegs-Deutschland plastisch - etwa, wenn die Besucher ein Stimmgewirr aus schlesischen, ostpreußischen, sudetendeutschen Dialekten empfängt.

Artikel vom 14.09.2005