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Wandertour im Schatten
des Daches der Welt
Vor der großartigen Kulisse des Mount Everest die Kondition erproben
Eingekeilt zwischen Kartons, Säcken und Expeditionsgepäck bleibt im Flughafen Kathmandu die Zeit stehen. Für den Flug nach Lukla heißt es erst einmal, Geduld zu üben und zu warten.
Die Gruppe aus Deutschland ist froh, dass die Maschine überhaupt kommt. Für den kurzen Flug gibt es Wattebäusche gegen den ohrenbetäubenden Lärm. Die spektakuläre Kulisse des Himalayas rückt immer näher, und die Spannung auf die bevorstehende Trekking-Tour wächst.
Mit einem freundlichen »Namaste« (Ich grüße die Gottheit in dir) erwartet Kazi Sherpa, der Guide, in Lukla die Neuankömmlinge. Zwei Sherpa und eine Sherpani vervollständigen die Gruppe. Mit von der Partie sind ihre vier Jopkyoks. Das sind robuste Lastentiere, eine Kreuzung zwischen Yak und Kuh, die das Gepäck tragen.
Der breite Weg zum Mount Everest Base Camp ist die Pulsader des Khumbu-Gebiets. Alles wird getragen, denn die nächste richtige Straße liegt sieben Tage entfernt. Lodges, einfache Läden und traditionelle Sherpahäuser reihen sich wie Perlen an der alten Handelsroute aneinander.
Mittags gibt es auf der sonnigen Terrasse einer kleinen Lodge Kartoffeln mit frischem, duftendem Koriander, Mangold, Bohnen und tibetisches Brot, Fladen aus Mehl und Wasser. Kazi dagegen schwärmt in Erinnerung seiner Besuche in Garmisch von Brot und Wurst.
Die erste schwankende Hängebrücke lässt den Atem stocken. Durch die schmalen Metallstäbe sieht man tief unten in der Schlucht den Dudh Kosi, Milchfluss, brodeln. Dann fordern unzählige Steinstufen zum 2850 Meter hoch gelegenen Sherpadorf Monjo die Kondition. Der Gipfel des über 6000 Meter hohen Tamserku dominiert den winzigen Ort. Die erst vor zwei Jahren aus Natursteinen erbaute Everest Summit Lodge passt sich perfekt in die Landschaft ein. Zur »Luxusausstattung« gehören Zweibettzimmer mit Dusche und warmem Wasser.
Höhenanpassung heißt das Thema. Die Wandergruppe steigt zwischen Pinien, Wacholder, Rhododendren und Bambus zu einer 3765 Meter hohen Kuppe, dem Hausberg der Lodge. Die Bewährungsprobe ist bestanden, die etwa 1000 Höhenmeter haben alle in der Gruppe geschafft. Abends in der Lodge werden Saiteninstrumente herangeschleppt, der Koch tauscht die Schürze gegen traditionelle Sherpakleidung, und die Bedienungen tanzen zu fremdartig klingenden Liedern.
Am Ortsrand von Monjo beginnt der Everest-Nationalpark, der 1979 im UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wurde. 8000 Meter hohe Eisriesen mit dem Mount Everest als unumstrittenen König und tiefe Taleinschnitte mit Rhododendren, Wacholder und Bambus charakterisieren das Land. Schon von weitem ist die Hillary-Brücke zu sehen, die sich über den Milchfluss spannt. Sir Edmund Hillary hat die Brücke gestiftet. Er und der Sherpa Tenzing Norgay schafften 1953 die Erstbesteigung des Mount Everests.
Nach einer Nacht in Namche Bazar, der Sherpa-Hauptstadt in 3440 Metern Höhe führt die Wanderung zuerst bergab nach Phungi. Danach folgt ein stetiger Anstieg zu einem Hochtal Richtung Everest. Eine gewaltige Bühne der Natur öffnet sich. Das Kloster Tengpoche wird von Lhotse, Nuptse, Ama Dablam, Kang Tega und Tormcerku umrundet. Nur seine Majestät, der Mount Everest (8848 Meter), wird noch von einer Wolke verhüllt. Erwartungsvoll verharren die Wanderer. Die Stille wird nur hin und wieder durch die Rufe der Fußball spielenden Mönche auf der Klosterwiese unterbrochen. Plötzlich verstummen die Gespräche der Wanderer und Kameras klicken, als sich der höchste Berg der Erde in seiner ganzen Pracht zeigt.
Im Innenraum des Klosters Tengpoche flackern Butterlämpchen. Die große Buddha-Statue strahlt Würde aus. Die Legende sagt, das der Lama Sangya Dorje über den Eisriesen Kang Tega ritt und dabei den Platz für das Kloster entdeckte. Heute ist das Kloster Zentrum zur Ausbildung buddhistischer Mönche.
Das Geläut der Yakglocken begleitet die Schritte der Trekker bis nach Khumjung, einem Dorf unterhalb des heiligen Bergs Khumila. Im kleinen Kloster ist ein struweliger Yeti-Skalp, der enttäuschend klein wirkt, der wohl am besten behütete Schatz. Sherpa glauben an den Yeti, den geheimnisvollen Schneemenschen, der im Khumbu-Gebiet lebte oder lebt.
Unregelmäßige Steinstufen führen zum Pass Khumjung Lapcha Songbuche, wo die Mende Lodge in 3700 Metern Höhe der höchste Übernachtungsplatz ist.
Nach einer Nacht in Monjo beginnt die letzte Etappe des Abstiegs nach Lukla, wo der Abschied schließlich schwer fällt. Auskunft: Telefon: 0 89/64 24 00. Gabi Dräger

Artikel vom 17.09.2005