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Neuer Verschuldungs-Rekord

NRW braucht 7,3 Milliarden an Krediten - Linssen: Bilanz von Rot-Grün

Düsseldorf (dpa). Die neue Landesregierung wird in diesem Jahr 2,1 Milliarden Euro mehr an neuen Krediten aufnehmen als von der rot-grünen Vorgängerregierung vorgesehen. Die Neuverschuldung steigt damit auf einen Rekordwert von 7,3 Milliarden Euro.
Das kündigte Finanzminister Helmut Linssen (CDU) gestern nach einer Debatte mit der FDP-Fraktion über den Nachtragshaushalt 2005 an. Linssen bezeichnete die hohe Verschuldung als »Schlussbilanz von Rot-Grün«, die eine Milliardenlücke im Haushalt hinterlassen hätten.
Der Nachtragshaushalt 2005 soll am nächsten Dienstag im Kabinett verabschiedet werden. »Das ist eine Schreckensbilanz, die wir bewältigen müssen«, sagte FDP-Fraktionschef Gerhard Papke. »Von der Vorgängerregierung ist systematisch Bilanzfälschung betrieben worden.«
Das strukturelle Defizit im Landeshaushalt liege bei 6,5 bis sieben Milliarden Euro, so Linssen. Einnahmen seien von der Vorgängerregierung stets zu hoch, Ausgaben zu niedrig angesetzt worden.
Beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) und bei der Beteiligungsgesellschaft des Landes sei zudem Kapital in Milliardenhöhe verzehrt worden. Für den Länderfinanzausgleich seien 400 Millionen Euro zu wenig angesetzt worden.
Viel Geld sei außerdem für ungeeignete Techniken in der Finanzverwaltung vergeudet worden. Der dort vorgesehene Abbau von 2500 Stellen werde sich daher nicht so schnell umsetzen lassen. Er hoffe aber, dass die kalkulierten Steuereinnahmen in Höhe von 34,4 Milliarden Euro tatsächlich erreicht würden.
Linssen verteidigte die vorgesehene Aufstockung der Stellen im Regierungsapparat um bis zu 100 Posten. »Wenn Sie nach 39 Jahren die Landesregierung übernehmen, müssen Sie vieles verändern, was sonst als Trott weitergegangen wäre.«
Der Haushalts- und Finanzausschuss soll die Personalverstärkung für die schwarz-gelbe Regierung - darunter neue Redenschreiber - morgen billigen.
»Ich brauche eine Sanierungsmannschaft«, sagte Linssen. Der Rahmen werde aber eng gesteckt und solle so schnell wie möglich durch Personaleinsparungen an anderer Stelle kompensiert werden. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Johannes Remmel, forderte die Landesregierung auf, die neuen Stellen mitsamt der Dotierungen zu nennen und zu begründen.
Zielmarke der CDU-FDP-Koalition ist ein jährlicher Stellenabbau um 1,5 Prozent in der engeren Landesverwaltung. Geschont werden sollen Lehrer, Polizei, Justiz und einige Bereiche der Finanzverwaltung. Konkrete Angaben über den geplanten Personalabbau blieb der Finanzminister schuldig. Mit 21,7 Milliarden Euro und damit einem Anteil von 43 Prozent am Landeshaushalt seien die Personalkosten - die sich derzeit quasi automatisch um 500 bis 800 Millionen Euro jährlich erhöhten - aber deutlich zu hoch, betonte Linssen.
Spätestens für Mitte Oktober erwartet der Finanzminister die Vorschläge der eingesetzten Expertenkommission zur Haushaltssanierung. Ende November soll der Etat 2006 im Kabinett beraten werden. Damit werde ein »deutliches Signal der Konsolidierung« gegeben, versicherte Linssen. Die diesjährige Neuverschuldung werde 2006 deutlich unterschritten. »Jedenfalls wird es mit mir keine getürkten Haushalte geben.« Einen Haushalt ohne neue Kredite peilt die Koalition für 2015 an. Derzeit liegt der Gesamtschuldenstand des Landes bei rund 110 Milliarden Euro.
Als »großes Staatstheater« bezeichneten die Grünen die Interpretation der neuen Regierung zur Neuverschuldung. Offensichtlich versuche Schwarz-Gelb, unmittelbar nach der Regierungsübernahme so viele Schulden wie möglich zu machen, um noch auf Kosten der Vorgängerregierung ein Polster für die Finanzierung der Wahlkampfversprechen anzulegen, sagte Ex-Bauminister Michael Vesper.

Artikel vom 14.09.2005