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Gelähmter will
Schmerzensgeld
vom Land NRW

Tragische Folgen eines Polizeieinsatzes

Von Christian Althoff
Espelkamp (WB). Heizungsbauer Andreas K. (35) aus Espelkamp, der seit einem Polizeieinsatz querschnittsgelähmt ist, hat das Land NRW auf Schmerzensgeld und Schadensersatz verklagt. Das Landgericht Bielefeld hat den Streitwert auf 150 000 Euro festgesetzt.

Zwei Streifenbeamte hatten den Mann im Dezember 2002 aus einer Gaststätte in Rahden gedrängt, nachdem er der Aufforderung des Wirtes nicht gefolgt war und nicht freiwillig gehen wollte. Am Ausgang des Lokals war es zu einem Handgemenge gekommen, bei dem ein Beamter dem erheblich betrunkenen Andreas K. einen Arm um den Hals gelegt und ihn auf den Boden gedrückt haben soll, um ihm dort die Hände auf dem Rücken zu fesseln. »Als die Beamten meinen Mandanten zum Streifenwagen schleppten, hingen dessen Beine bereits schlaff herab«, sagt Rechtsanwalt Günther Wilke aus Minden. Er beruft sich auf die Aussage eines Zeugen, der damals ein Bein ergriffen und es bis zum Streifenwagen hochgehalten haben soll.
Am folgenden Tag war im Krankenhaus Lübbecke ein Bruch der Wirbelsäule festgestellt worden. Andreas K. ist seit jenem Wochenende querschnittsgelähmt, seine Ehe inzwischen auch an der Behinderung zerbrochen. »Zum Glück sehe ich meine beiden Kinder aber regelmäßig«, sagt der Handwerker. Er hat in Espelkamp eine neue Erdgeschoss-Wohnung gefunden, die er mit seinem Rollstuhl selbständig erreichen kann.
Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hatte seinerzeit unter dem Aktenzeichen 26 JS 718/02 gegen die beiden Polizisten ermittelt, das Verfahren aber eingestellt, weil den Beamten kein vorwerfbares Verhalten nachzuweisen sei, wie ein Sprecher sagte.
Dennoch erscheint Günther Wilke das Zivilverfahren nicht aussichtslos: »Im Gegenteil. Die Klage eröffnet mir die Möglichkeit, im Prozess die Rechtsmediziner und die Polizisten zu befragen, was ich im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht konnte.« Ein Termin für den Zivilprozess steht noch nicht fest.
Nach Ansicht des Rechtsanwaltes ist die Gewaltanwendung der Beamten nicht verhältnismäßig gewesen: »Mein Mandant hat Hausfriedensbruch begangen, als er die Gaststätte nicht verlassen wollte. Diese Straftat war beendet, als er sich, von den Polizisten gedrängt, auf den Ausgang zubewegte.« Der Würgegriff und die Gewaltanwendung, die zum Bruch der Wirbelsäule geführt habe, hätten in keinem vertretbaren Verhältnis zur Schuld seines Mandanten gestanden. Andreas K. verkennt allerdings nicht, dass er mit seinem Verhalten erst den Anlass für den Polizeieinsatz geliefert hatte: »Wir halten es deshalb für angemessen, dass das Gericht sein Mitverschulden mit etwa 20 Prozent berücksichtigt«, sagt der Anwalt.
Andreas K. versucht unterdessen, sein Leben neu zu ordnen und beginnt demnächst eine Umschulung zum Bürokaufmann. »Zum Glück hat das Versorgungsamt davon Abstand genommen, mich zum Rentner zu schreiben«, sagt der 35-Jährige.
Jeden Morgen schnallt Andreas K. seine Füße auf ein strombetriebenes Trainingsgerät, das im Wohnzimmer steht und seine Beine zehn Minuten bewegt: »Damit die Muskeln nicht verkümmern und einer Trombose vorgebeugt wird«, sagt der Espelkamper. Zweimal in der Woche bringt ihn ein Taxi zur Krankengymnastik in eine Rehaklinik nach Bad Oeynhausen. »Ich bin froh, dass ich meine Hände einigermaßen benutzen kann und nicht darauf angewiesen bis, dass mich jemand in meinem Rollstuhl schiebt«, sagt K., der auch seine Einkäufe alleine erledigt: »Zum Glück ist der Supermarkt gleich nebenan.«

Artikel vom 14.09.2005