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»So langsam macht es keinen Spaß mehr. . .«

Neuer Vorsitz im Beirat der JVA Brackwede / Karl-Heinz Müller (68) geht nach 35 Jahren

Ummeln (mp). Nach 35 Jahren verabschiedet sich der ehemalige Bauführer beim städtischen Tiefbauamt, Karl-Heinz Müller (68), als Vorsitzender aus dem neunköpfigen Beirat der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bielefeld-Brackwede I.
Mit ihm geht sein Stellvertreter Siegfried Kienitz (70), Bezirksvorsteher in Brackwede, nach 13 Jahren. Beide scheiden satzungsgemäß aus Altersgründen aus und wurden gestern von Anstaltsleiter Robert Dammann mit Blümchen aus der ehrenamtlichen Pflicht entlassen. »Beiräte sind so etwas wie der Kummerkasten der Gefangenen. Sie sind ein wichtiges Bindeglieder zwischen der Öffentlichkeit und dem Strafvollzug«, erklärte Dammann »Und mit diesen beiden Männern verlieren wir zwei echte Urgesteine.«
Karl-Heinz Müller kennt in der Tat Entstehung und Entwicklung des Beirates in Brackwede und der Beiräte im Allgemeinen von A bis Z, denn vor seiner Zeit gab es diese Einrichtung noch gar nicht. Erst 1970, sieben Jahre vor dem Bau der JVA, kam man zu einer ersten Sitzung zusammen. »Ich hatte 1969 in Senne zufällig gesehen, wie die Gefangenen eines Arbeits-Straflagers ihr Mittagessen unter menschenunwürdigen Bedingungen in einem Kuhstall einnehmen mussten, obwohl die Gesinderäume des Bauern leer standen. Das durfte doch nicht sein. Solche Missstände wollte ich beseitigen helfen. Deshalb habe ich mich im Beirat engagiert.«
In diesem speziellen Fall konnten Müller und Co. tatsächlich Abhilfe schaffen, was der 68-Jährige heute als einen seiner größten Erfolge wertet. Aber insgesamt sei die Arbeit als Beirat im Laufe der Jahre immer undankbarer geworden. »Es macht langsam keinen Spaß mehr«, sagt Müller heute. »Die Gelder werden immer knapper, die Wünsche der Gefangenen können immer seltener umgesetzt werden.« Dabei ginge es nicht um zum Beispiel die Anschaffung einzelner Sportgeräte. Das meiste scheitere an rigorosen Personaleinsparungen, wenn es etwa um beaufsichtigte Sportveranstaltungen, Training etc. ginge.
Tatsächlich ist die JVA Brackwede in hohem Maße von Personalabbau betroffen: Die aktuell einsitzenden 664 Straftäter werden von 348 Bediensteten beobachtet, versorgt, verwaltet. 2004 standen Robert Dammann dazu noch 360 Mitarbeiter zur Verfügung, 2003 waren es 374. Bis 2009 soll sich der Mitarbeiterstab auf 302 reduziert haben.
Trotz finsterer Perspektiven, die den Sorgen und Wünschen der Gefangenen immer weniger Spielraum bietet - und damit auch dem Beirat - gibt es selbigen weiterhin. Als neuer Vorsitzender wurde aktuell Matthias Blomeier gewählt. Der 47-Jährige ist Pfarrer der evangelischen Markus-Kirchengemeinde in Bielefeld. Sein Stellvertreter wurde Manfred Schön (58), frei gestellter Personalratsvorsitzender beim Studentenwerk Bielefeld. Außerdem stießen drei neue Gesichter zum Beirat: Nebahat Pohlreich (66), pensionierte Sozialarbeiterin, Winfried Kersting (50), Referent beim Caritasverband für das Erzbistum Paderborn, und Winfried Huber (58), Betriebswirt/Bethel.

Artikel vom 13.09.2005