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»Der Weg ist das Ziel« auf der Pilgerreise

»Intensive Glaubenserfahrungen« auf dem Jakobsweg

Von Cora Schäfer
Bielefeld (WB). 810 Kilometer Fußmarsch und sechs Wochen Zeit zum Nachdenken mit vielen neuen Eindrücken und Bekanntschaften liegen hinter Hagen Brand und Fabian Drosselmeier. Am 9. Juli brachen die beiden auf, um auf dem Jakobsweg von Saint-Jean-Piedde-Port bis Santiago de Compostela zu wandern (das WESTFALEN-BLATT berichtete).

»Auf der Reise nach Frankreich hatten wir beim Trampen viel Glück«, meint Hagen Brand. In nur zwei Tagen legten sie die Strecke von Bethel bis zum Ausgangspunkt ihrer Pilgerreise per Anhalter und mit dem Zug zurück.
Dort angekommen hatten es die ersten drei Etappen bereits in sich: Die Pyrenäen und ihre Ausläufer erwarteten die beiden Freunde. Mit Trainingsläufen durch den Teutoburger Wald glaubten sie sich für alle Anforderungen gerüstet. »Doch es war trotzdem noch sehr anstrengend«, meint Fabian Drosselmeier, der bereits auf den ersten Etappen mit Blasen und Abschürfungen an den Füßen zu kämpfen hatte. Der Weg führte sie weiter nach Pamplona zu den traditionellen Stierkämpfen, dann über Burgos und León bis Santiago de Compostela.
»Wir sind immer schon um sechs Uhr in der Frühe aufgebrochen, damit wir die kühlen Temperaturen am Morgen nutzen konnten«, berichtet Brand. Am frühen Nachmittag ereichten die beiden meistens nach etwa 20 bis 30 Kilometern Fußmarsch ihr jeweiliges Tagesziel. »Man hat viel Zeit, die Gedanken schweifen zu lassen«, schwärmt Drosselmeier. »Im Alltag hastet man durch den Tag und legt oft viele Kilometer in kürzester Zeit zurück.«. Genau das ist das Besondere an der Pilgerreise: »Zu Fuß ist der Blickwinkel einfach ein anderer«, erläutert Brand. »Man kommt nur langsam voran und nimmt kleinste Details wahr, die man übersehen würde, wenn man mit dem Auto unterwegs wäre.«
Auf ihrem Weg haben sich die beiden intensiv mit ihrem Glauben auseinander gesetzt. Die Zeit des Nachdenkens, der Besuch verschiedenster Messen, Klosteraufenthalte und besonders auch die Kommunikation mit anderen Gläubigen trugen dazu bei. »Die Reise hat unsere Beziehung zu Gott intensiviert«, berichtet Drosselmeier. »Wir wurden beide in unserem Glauben bestärkt.«
Auch die Mentalität der Menschen, ihre Freundlichkeit und der Kontakt zu anderen Pilgern haben Brand und Drosselmeier tief beeindruckt. »Die Wärme und Hilfsbereitschaft der Menschen war einfach überwältigend«, erzählt Brand.
Höhepunkt der Pilgerreise war unter anderem ein dreitägiger Aufenthalt im Kloster »San Salvador del Monte Irago« in Rabanal del Camino. Hagen Brand, der sich kurz hinter Burgos eine Bergsteigerkrankheit zuzog und deshalb seinen Fuß nicht mehr bewegen konnte, kurierte sich in der Obhut der drei Benediktinermönche aus. Dort gab es auch einen auf der Reise besonderen Luxus: fließendes, warmes Wasser.
Von dem Ziel der Wanderung waren die beiden nicht besonders angetan: »Santiago de Compostela ist sehr touristisch geprägt«, meint Drosselmeier. »Menschen mit dem einzigen Ziel, dort anzukommen, werden enttäuscht.«
Zum Abschluss ihrer Reise unternahmen die beiden noch einen Tagestrip mit dem Bus zum Kap Finisterre, dem »Ende der Welt«. »Es hat uns stolz gemacht, nach der langen Reise das Meer zu sehen«, freut sich Brand. Zurück in Deutschland mussten sie sich erst einmal wieder an die Reizüberflutung gewöhnen, die über sie hereinbrach. »Es war schwierig, den hektischen Alltagsrhythmus mit allen Pflichten wieder anzunehmen«, erzählt Hagen Brand.
In Zukunft können sich die beiden, wenn es die Zeit zulässt, noch Reisen nach Assisi oder Jerusalem vorstellen. Eines steht seit ihrer Pilgerreise für sie jedenfalls fest: Der Weg ist das Ziel!

Artikel vom 29.09.2005