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Von der Anbetung der
Ballkunst und der Stars

Langer Beifall bei Fußballoratorium-Uraufführung

Von Andreas Schirmer
Bochum (dpa). Das Klappern von Stollenschuhen im Kabinengang, johlende Chormitglieder mit Fanschals, kullernde Dosen, pfeifende Luftballons, Signalhörner und Gesang: Die Uraufführung des Fußballoratoriums »Die Tiefe des Raumes« am Sonntag war ein Musik-Dribbling zwischen barocker Klassik, Neuer Musik und Versatzstücken aus Oper sowie Musical.
Christoph Banzer (Reporter), Peter Lohmeyer (Alt-Internationaler) und Joachim Król (Trainer).

Das von Moritz Eggert komponierte und von Michael Klaus mit Ironie, Witz und distanzierter Begeisterung geschriebene Auftragswerk der RuhrTriennale konnte das Publikum nicht im Sturmlauf erobern, feierte aber mit langem Beifall einen eindrucksvollen Sieg.
Statt Heiligenfiguren oder dem Messias zu huldigen, geht es im Fußballoratorium um die Anbetung der Ballkunst und ihrer Stars, es geht um die Rituale und das Triviale: Um Fußball als Ersatzreligion. »Der Ball, dieser Globus, ist das Modell der Welt, die dem Vergnügen geweiht ist... Oh, Spiel, Abbild der Wahrheit. Fußball ist unser Leben...«, singt der hervorragende Chor der RuhrTriennale, den Walter Zeh bestens auf diese ungewöhnliche Aufgabe eingestimmt hat. Gleiches gilt für die Bochumer Symphoniker unter der Leitung von Steven Sloane, die die Gratwanderung zwischen Pathos und Posse bravourös meisterten.
Erzählt wird in den zwei Halbzeiten zu je 45 Minuten die Geschichte eines typischen Fußballers, der sich vom Bolzplatz um die Ecke bis in die Bundesliga kickt. Als Spieler war der Tenor Corby Welch zu hören, der mit gleicher Ernsthaftigkeit (»Ich muss meinen Laufstil verbessern«) sang wie in einer Oper über Liebe, Herzschmerz und Tod.
Das Fußballoratorium, das ein Beitrag zum Kulturprogramm der Weltmeisterschaft 2006 ist und im kommenden Jahr am Endspieltag (9. Juli) gleich zwei Mal in der Komischen Oper in Berlin aufgeführt werden soll, wird gespeist von Schlachtengesängen, Profikarrieren, Rundfunkreportagen, Sprüchen von Spielern und Trainern - wie dem Monolog des Ex-Chefcoaches von Bayern München, Giovanni Trapattoni (»Schwach wie eine Flasche leer«).
»Ob ich die Titanic gerettet hätte, weiß ich nicht. Jedenfalls wären die Überlebenden gut in Form gewesen«, sagte der Trainer, dessen Rolle der Schauspieler Joachim Król übernahm. Mitgewirkt haben auch seine Kollegen Peter Lohmeyer als Alt-Internationaler (»Wunder von Bern«) und Christoph Bantzer als Reporter. Das promiente Trio blieb aber mit kleinen Einsätzen weitgehend im Hintergrund. Im Vordergrund steht der Fußball mit seinen Anekdoten und Phänomenen. Und davon gibt es nicht zu knapp im Fußballoratorium.

Artikel vom 13.09.2005