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Heile Schalker Fassade
zeigt heftige Risse

Rudi Assauer nach 0:1 in Rage: »Einige Totalausfälle«

Eindhoven (dpa). Die Vorfreude war riesig, die Erwartungen immens, die Ernüchterung um so größer. Die völlig verkorkste Rückkehr auf die große internationale Fußball-Bühne offenbarte beim FC Schalke 04 den derzeit enormen Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Nach dem blamablen 0:1 zum Champions-League-Start beim niederländischen Meister PSV Eindhoven lagen Trainer Ralf Rangnick und Manager Rudi Assauer mit ihren Analysen zwar auf einer Wellenlänge, in ihrer Wortwahl jedoch weit auseinander. Erste Risse in der Schalke-Fassade werden sichtbar.
Schon zur Halbzeit hatte Assauer die Vorstellung als »katastrophal« und einige Spieler als »Totalausfälle« bezeichnet. Anschließend wurde er noch deutlicher. »Das war eine Darbietung, die ich nicht akzeptiere. Ich bin unheimlich enttäuscht von der Mannschaft. Ich erwarte von ihr, dass sie mehr bringt als das, was sie gezeigt hat«, schimpfte der 61-Jährige. Und er meldete Gesprächsbedarf an: »Ich muss wohl mit jedem einzelnen oder mit dem Trainer darüber reden.«
Die Form der Kritik stieß bei Rangnick auf wenig Gegenliebe: »Da gebe ich ihm nicht Recht. Aber wenn der Manager solche Worte gebraucht, muss er es selbst wissen.« Gleichwohl war auch der Coach nach dem überwiegend leidenschaftslosen Auftritt entsetzt. »Auf diesem Niveau muss man mit ganzem Herzen, nicht mit halbem Herzen spielen. Der PSV hatte uns in punkto Durchsetzungsvermögen und Aggressivität einiges voraus«, sagte Rangnick.
Zögerlich, nervös, ohne Spielfreude, Ideen und Mut trat der deutsche Vizemeister im Philips-Stadion beim keineswegs übermächtigen Gegner auf. Fast ohne Gegenwehr überließen die Knappen dem von Guus Hiddink gut eingestellten Team die Initiative und leisteten Schützenhilfe beim Siegtor von Vennegoor of Hesselink (33.). Marcelo Bordon ließ den Stürmer nach einer Ecke des starken Damarcus Beasley unbedrängt einköpfen. »Keiner von uns ist mit hochgegangen«, kritisierte Rangnick, »danach war es einfach.«
Erschreckend, dass sich die Schalker in der ersten Hälfte nur eine Chance erarbeiteten, die der formschwache Kevin Kuranyi kläglich vergab. Erst nach einer Stunde schien man aufzuwachen, übte mehr Druck aus, ohne aber mit letzter Konsequenz auf den Ausgleich zu drängen. Dabei wäre ein Erfolgserlebnis nach den zuletzt schwachen Spielen gegen Mönchengladbach und Leverkusen (1:1) und vor den schweren Aufgaben der kommenden Wochen eminent wichtig gewesen. »Das muss die Mannschaft wiedergutmachen«, forderte Assauer.
Es bleibt rätselhaft, warum sich die vor der Saison mit Hochkarätern wie Bajramovic, Ernst und Kuranyi verstärkte Elf beim ersehnten ersten Auftritt in Europas Güteklasse seit vier Jahren in bedauernswertem Zustand präsentierte. »Wir haben an die Leistung von Leverkusen angeknüpft«, gestand Ernst sarkastisch. Als einziger Schalke-Profi redete Hamit Altintop Tacheles. »Da haben wir ein Jahr hart gearbeitet, um dort hinzukommen, und dann liefern wir so ein Spiel ab. Wir müssen mehr Gas geben, Spielfreude zeigen«, verlangte Altintop, der auf der linken Abwehrseite noch den engagiertesten Eindruck hinterließ. Altintop fühlte sich sogar im Stich gelassen. »In solch einem Spiel müssen unsere erfahrenen Spieler ein Zeichen setzen. Man darf sich nicht so hängen lassen«, schimpfte der 22-Jährige. Neben ihm war Neuzugang Rafinha fast der einzige Lichblick. Der 19 Jahre alte Brasilianer zeigte rechts in der Viererkette gute Ansätze nach vorn.

Artikel vom 15.09.2005