15.09.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Mindestens 150 Menschen bei
Anschlagserie im Irak getötet

Insgesamt zehn Autobomben - Sarkawi kündigt weitere Attentate an

Bagdad (Reuters/dpa). Bei einer offenbar koordinierten Serie von Anschlägen sind gestern in Bagdad mindestens 150 Menschen getötet worden. Die irakische El Kaida-Gruppe bekannte sich zu den Taten und erklärte, sie habe aus Rache für die jüngste Offensive gegen die Rebellen im Land eine landesweite Serie von Selbstmordattentaten vorbereitet.

Allein im Bagdader Schiiten-Viertel Kadhimija starben 114 Menschen und wurden mehr als 156 verletzt. Der Anschlag war der folgenschwerste seit Beginn des Irak-Krieges vor zweieinhalb Jahren. In dem Stadtbezirk waren zudem erst vor kurzem mehr als tausend Menschen bei einer Massenpanik ums Leben gekommen.
Im Laufe des Vormittags sprengten vier Selbstmordattentäter in verschiedenen Teilen Bagdads ihre Fahrzeuge in die Luft. Einer der Anschläge galt einer Streife der irakischen Armee, ein anderer wurde vor dem Büro eines schiitischen Geistlichen verübt. Im Norden der Stadt erschossen Rebellen zudem 17 Schiiten, die sie mitten in der Nacht aus ihren Häusern gezerrt hatten. Insgesamt explodierten bis zum Nachmittag im Stadtgebiet zehn Autobomben.
»Die Bomben sind in ganz Bagdad explodiert. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass all diese Angriffe koordiniert waren«, sagte ein Vertreter der Polizei.
In Kadhimija lockte der Selbstmordattentäter Tagelöhner mit vermeintlichen Arbeitsangeboten zu seinem Kleinbus, bevor er seinen Sprengsatz zündete. Die Bombe war Angaben aus dem Innenministerium zufolge 220 Kilogramm schwer. Sie zerfetzte die Menschen in der Luft. Tote und Verletzte fielen neben brennende Autos. Freiwillige karrten die Opfer auf Holzpritschen zum Krankenhaus, das binnen kurzem überfüllt war.
Es war dieselbe Klinik, in der die ebenfalls mehrheitlich schiitischen Opfer der Massenpanik behandelt worden waren. Sie war unter Pilgern ausgebrochen, nachdem in der Menge das Gerücht eines bevorstehenden Attentats umgegangen war. Der folgenschwerste Anschlag seit Beginn des Krieges wurde im Februar in Hilla südlich von Bagdad verübt. Damals wurden 125 Menschen getötet.
Die von Schiiten dominierte Regierung des Landes wirft den mehrheitlich sunnitischen Rebellen vor, die schiitische Bevölkerungsmehrheit gezielt anzugreifen und einen Bürgerkrieg auslösen zu wollen. Die neue Armee des Landes hat in den vergangenen Tagen in Tel Afar im Norden des Landes mehr als 200 Rebellen getötet und mehrere hundert weitere gefangen genommen.
Das Bekennerschreiben der irakischen El Kaida nahm ausdrücklich auf die Ereignisse in Tel Afar Bezug und erklärte, der Rachefeldzug habe erst begonnen. »Wir werden über die Einzelheiten unserer Einsätze in Bagdad und anderen Teilen des Landes bald informieren«, hieß es in dem Schreiben. Es wurde auf einer Internetseite von Moslem-Extremisten veröffentlicht, die wiederholt von der Gruppe um den Sunniten Abu Mussab al-Sarkaui genutzt wurde. Sarkaui gehört zu den meistgesuchten Rebellenanführern im Irak. Er ist der 140 000 Soldaten starken US-Truppe im Land aber immer wieder entkommen.
Übergangsregierungschef Ibrahim al-Dschafari erklärte, die Einwohner von Tel Afar hätten die Regierung um eine Militärintervention gebeten.
Nachdem sich Gerüchte über einen direkt bevorstehenden Angriff der amerikanischen und irakischen Truppen auf Extremisten im nordirakischen Samarra verbreitet hatten, verließen zahlreiche Familien die Stadt und flohen in die Provinzhauptstadt Tikrit. Der Vizegouverneur der Provinz Salaheddin, Abdullah Dschabura, warnte vor einer Offensive in Samarra. Der Armee sei es bei früheren Einsätzen in Samarra nicht gelungen, »für Sicherheit zu sorgen, stattdessen haben sie die Situation nur verschlimmert.«

Artikel vom 15.09.2005